Die britische Premierministerin Liz Truss (47) lehnt einen Rücktritt trotz des Scheiterns ihrer Steuerpolitik und katastrophaler Umfragewerte weiterhin ab. «Ich bin eine Kämpferin und keine Drückebergerin», sagte die konservative Regierungschefin am Mittwoch bei der wöchentlichen Fragestunde im Unterhaus in London. Die 47-Jährige geriet bei der Sitzung schwer unter Druck. Mehrere Oppositionspolitiker forderten sie zum Rücktritt auf.
Erstmals seit der demütigenden Kehrtwende in ihrer Steuerpolitik musste Truss den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Sie erntete heftigen Spott und Häme. Vorwürfen, sie habe die Wirtschaft des Landes in ihren sechs Wochen im Amt an die Wand gefahren, trat Truss mit der Feststellung entgegen, die wirtschaftliche Lage sei allgemein schwierig. Auch dafür erntete sie wütende Zwischenrufe von den Oppositionsbänken.
«Sie sind alle weg, warum ist sie noch hier?»
Erst am Montag hatte ihr neuer Finanzminister Jeremy Hunt so gut wie alle Teile der vor kurzem verkündeten radikalen Steuererleichterungen zurückgenommen. Sein Vorgänger Kwasi Kwarteng (47) wurde in der vergangenen Woche entlassen - nach Ansicht vieler Beobachter, um das Amt der Premierministerin zu retten.
Am Mittwochabend folgte der nächste Paukenschlag: Die britische Innenministerin Suella Braverman (42) gab ihr Amt ab, wie sie auf Twitter bestätigte. Als Grund für ihren Rücktritt gab Braverman «einen technischen Bruch» von Geheimhaltungsregeln an. Sie habe ein offizielles Dokument von ihrer persönlichen E-Mail-Adresse an einen «vertrauten parlamentarischen Kollegen» weitergeleitet, schrieb Braverman. Viel daraus sei bereits bekannt gewesen, trotzdem sei es «richtig für mich, zu gehen».
Zurück zur Fragestunde: Oppositionschef Starmer verfolgte einen klaren Plan. Er zählte die aufgegebenen Bestandteile der Steuerpolitik von Truss auf, worauf die Labour-Abgeordneten jedes Mal «gone!» (weg) riefen. «Sie sind alle weg, warum ist sie noch hier?», rief Starmer in Richtung der Premierministerin.
Kommunikationschef wurde suspendiert
Erspart blieb der schwer in die Defensive geratenen Regierungschefin Kritik aus den eigenen Reihen. Berichten zufolge erklärte Truss jedoch eine für später am Mittwoch geplante Abstimmung über einen Antrag der Labour-Partei zum Thema «Gewinnung von Erdöl» zur Vertrauensfrage. Wer sich nicht an die Fraktionslinie halte, werde ausgeschlossen, so Berichten zufolge die Ansage.
Wie prekär die Lage von Truss ist, zeigt auch eine Episode am Rande. Kurz vor Beginn der Fragestunde wurde bekannt, dass ihr Kommunikationschef Jason Stein suspendiert und ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Berichten zufolge hatte er sich Journalisten gegenüber despektierlich über einen früheren Minister geäussert. Diese sollen gedroht haben, das Thema bei der Fragestunde im Parlament zur Sprache zu bringen. Das wollte Truss wohl nicht riskieren. (nab/SDA)