Wie kommt die Ernte aus dem Schwarzen Meer weg?
Russisch-ukrainisches Getreideabkommen ist erst der Anfang

Es ist geschafft: Russland und die Ukraine haben ein Getreideabkommen unterzeichnet. Doch damit sind die Getreidelieferungen noch längst nicht sichergestellt. Zudem zielen die Russen weiterhin auf die Hafenstadt Odessa.
Publiziert: 24.07.2022 um 11:56 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2022 um 12:00 Uhr
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Die Ukraine und Russland haben ein Abkommen für den Getreideexport unterzeichnet.
Foto: NurPhoto via Getty Images

Russland und die Ukraine haben mit den Vereinten Nationen und der Türkei eine Lösung für die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide aus dem Kriegsland vereinbart. Sowohl Russland als auch die Ukraine unterzeichneten am Freitag in Istanbul getrennt voneinander entsprechende Vereinbarungen unter Vermittlung von UN-Generalsekretär António Guterres (73).

Wie «The Guardian» schreibt, ist dies zwar ein Meilenstein für die ukrainisch-russischen Verhandlungen und eine gute Nachricht für die Welt – aber es ist auch lediglich der erste Schritt von vielen, wenn es um den Export des Weizens, Mais und der Ölsaaten geht. Denn: Schiffe und Besatzung für den Transport dieser Ladungen zu finden, geht nicht einfach von heute auf morgen.

Seeminen, Versicherungen und fehlende Schiffe

Während die internationale Gemeinschaft, Schifffahrtsunternehmen und Getreidehändler die neue Vereinbarung als positiven Schritt werten, weisen sie auch darauf hin, dass noch einige Hindernisse zu überwinden sind – darunter die Gewährleistung der Sicherheit der Seeleute und der Schiffe, sowie die Sicherstellung einer angemessenen und erschwinglichen Versicherung für den Transport.

Und dann gibt es noch das Problem, dass die ukrainischen Küstengewässer stark vermint sind. Um den Schiffen eine sichere Reise zu gewähren, müsste man die Seeminen zuerst entschärfen oder zumindest einen Korridor von mehreren Kilometern Breite schaffen, so die Zeitung. Wie lange dies dauern wird, darüber gibt es aus Kiew unterschiedliche Angaben, die von zehn Tagen bis zu mehreren Monaten reichen.

Zudem nimmt Russland die Hafenstadt Odessa weiterhin unter Beschuss. Das russische Aussenministerium verkündete auf Telegram, dass es mit «Kaliber»-Raketen mit einem hochpräzisen Schlag ein Objekt militärischer Infrastruktur im Hafen von Odessa getroffen habe. Der Angriff hatte wegen der kurz zuvor unterschriebenen Vereinbarung international Entsetzen ausgelöst. Diese Vereinbarung hat aber weiter ihre Gültigkeit.

Für den Transport der geschätzten 20 Millionen Tonnen Getreide, die in den ukrainischen Lagern festsitzen, wäre eine Armada von 400 Schüttgutfrachtern erforderlich, erklärt die Zeitung weiter. Diese seien für den Transport landwirtschaftlicher Güter zwischen den Kontinenten ausgelegt und könnten jeweils bis zu 50'000 Tonnen fassen. Der Chefanalyst des Frachtmarktanalyseunternehmens Xeneta schätzt: Bis all diese Schiffe im Schwarzen Meer sind, könnte es Wochen dauern.

Und: Bis sie nach ihrem Aufenthalt in der Ukraine, voll beladen mit Getreide, wieder gen Westen in See stechen können, könnte es laut Guy Platten, Generalsekretär der Internationalen Schifffahrtskammer, ebenfalls dauern. «Die Schiffe sind seit dem 24. Februar gestoppt, also müssen wir sicherstellen, dass sie seetüchtig sind», wird Platten zitiert.

Gibt es genügend Seeleute?

Etwa 2000 Seeleute befanden sich an Bord von Frachtschiffen, die in den ukrainischen Häfen vor Anker lagen, als die russische Invasion begann – aktuell befinden sich nur noch Notbesatzungen von insgesamt 450 Mann vor Ort, der Rest wurde evakuiert. Ein weiteres Problem für die sehnlichst erwarteten Getreidelieferungen.

Es ist unklar, ob die Ukraine in der Lage wäre, eine ausreichende Anzahl von Seeleuten, die nicht in den Konflikt verwickelt sind, für die Getreideflottille bereitzustellen. Vor dem Krieg stellten Russen und Ukrainer etwa ein Fünftel aller Besatzungsmitglieder.

Ukrainischen Landwirten geht der Platz aus

Fest steht: Die Uhr tickt. Nicht nur sind Länder auf der ganzen Welt abhängig von diesen Getreidelieferungen, auch ukrainische Bauern stehen schon bald vor einem Problem. Die Landwirte müssen ihre Frühjahresernte einfahren, und in den Getreidesilos des Landes muss Platz geschaffen werden.

Nach Angaben des Internationalen Getreiderats (IGC), einer zwischenstaatlichen Organisation zur Förderung der Zusammenarbeit im weltweiten Getreidehandel, erreichten diese Ausfuhren im Juni einen neuen Rekord von 2,3 Millionen Tonnen. Dies entspricht jedoch nur einem Drittel der Menge, die vor dem Krieg jeden Monat auf dem Seeweg exportiert wurden.

Um genügend Platz in ihren Getreidesilos für die neue Ernte zu sichern, muss die Ukraine nach Angaben der IGC in den nächsten drei Monaten monatlich 7 Millionen Tonnen Getreide aus ihren Lagern abtransportieren – bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. (chs)

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