Italien wählt an diesem Sonntag ein neues Parlament. Nach dem Aus der Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi (75) – die derzeit nur noch geschäftsführend im Amt ist – winkt den rechten Parteien ein Sieg. Neue Ministerpräsidentin könnte Giorgia Meloni (45) von der nationalistischen Partei Fratelli d'Italia werden. Ein Überblick:
So wird gewählt
Mehr als 51,5 Millionen Italiener dürfen wählen, fast drei Millionen davon sind Erstwähler. Die Wahllokale sind am Sonntag von 7 bis 23 Uhr geöffnet. Bis auf wenige Ausnahmen - etwa Soldaten oder Patienten in Krankenhäusern - muss jeder Italiener persönlich in der Gemeinde wählen, wo er gemeldet ist. Die Möglichkeit zur Briefwahl gibt es nur für die knapp 4,9 Millionen Italiener im Ausland. Es wird eine sehr niedrige Wahlbeteiligung erwartet. Gewählt werden Parteien und Kandidaten für die zwei Kammern des Parlaments, also das Abgeordnetenhaus und den Senat. Um 23 Uhr werden erste Prognosen veröffentlicht, im Laufe der Nacht folgen Hochrechnungen. Die ersten offiziellen Teilergebnisse werden am Montagmorgen erwartet. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wählt Italien im Herbst.
Das sind die Favoriten
Als Favorit geht ein Rechts-Block in die Wahl. Die Allianz, in der Giorgia Meloni und ihre radikal rechte Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) deutlich am stärksten ist, könnte rund 45 Prozent der Stimmen erhalten. Das legten Umfragen nahe, die letztmals am 9. September veröffentlicht werden durften. Der Allianz gehören neben den Fratelli die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini (45) und die konservative Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi (85) an. Wegen der Zusammensetzung wird sie auch Mitte-Rechts-Koalition genannt, allerdings haben die beiden rechtsgerichteten Parteien den Umfragen nach ein deutliches Übergewicht in der Wählergunst.
Die den harten Rechtsruck verhindern wollen
Gegen die Rechten positionierten sich vor allem die Sozialdemokraten des ehemaligen Regierungschefs Enrico Letta (56). Sie gingen eine Wahl-Allianz mit linken Parteien und Grünen ein – diese Gruppe liegt Analysten zufolge aber deutlich hinter dem Rechts-Block. Eine Zentrums-Allianz sowie die Fünf-Sterne-Bewegung wollen ebenfalls dazu beitragen, dass es nicht für eine rechte Mehrheit reicht.
Kompliziertes Wahlsystem pro Rechts-Block
Italiens Wahlsystem ist eine Mischung aus Direkt- und Verhältniswahl, von dem starke Allianzen profitieren können. Je ein Drittel der 200 Senatoren und 400 Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden in den Wahlkreisen direkt gewählt. Die restlichen zwei Drittel der Sitze werden je nach landesweitem Abschneiden der Parteien vergeben. Weil die Rechten sich in den Direktwahlkreisen auf gemeinsame Kandidaten einigen konnten, während ihre teils arg zerstrittenen Gegner jeweils eigene Leute nominierten, prognostizierten Beobachter, dass Meloni und Co. bis zu 90 Prozent der Direktmandate gewinnen könnten. Bei der Verhältniswahl würden dann weniger als 50 Prozent Zustimmung trotzdem für eine Mehrheit im Parlament reichen. Überhangmandate wie in Deutschland gibt es nicht.
Die Themen im Wahlkampf
Im Wahlkampf fokussierten sich die Parteien auf Kernthemen: Die Rechten wollen gegen Migration vorgehen, Steuern senken und die Wirtschaft stärken. Mitte-Links stellte soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und die internationale Zusammenarbeit in den Fokus. Überschattet wurde der Wahlkampf von der Energiekrise durch Russlands Krieg. Dies zeigte Differenzen bei den Rechten auf: Während Meloni fest an der Seite der Ukraine steht und für Hilfen an die eigenen Bürger keine Schulden aufnehmen will, zweifelt Putin-Freund Salvini an den Sanktionen gegen Moskau und plädiert für neues Geld zur Entlastung der Italiener.
Und warum das alles?
Anfang 2021 war in Italien der auch international höchst anerkannte Mario Draghi von ausserhalb der Politik an die Spitze der Regierung berufen worden. In dieser waren bis auf die Fratelli alle relevanten Parteien vertreten – die Legislaturperiode wäre bis Anfang 2023 gelaufen. Als ihm die Fünf Sterne im Juli bei einem Gesetzesvorhaben das Vertrauen verwehrten, trat er zurück. Draghi bleibt aber geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung vereidigt ist – das kann etliche Wochen dauern. (SDA)