In Italien werden – wieder einmal – die Karten neu gemischt. Nachdem am 21. Juli Ministerpräsident Mario Draghi (74) auf Druck der Lega, der Forza Italia und der Fünf-Sterne-Bewegung zurückgetreten ist, wird am 25. September ein neues Parlament gewählt.
Es wird prognostiziert, dass die drei Rechtsparteien die Regierungsverantwortung übernehmen werden. Laut Umfragen haben vor allem die rechtsradikalen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) an Rückhalt gewonnen. Die Partei von Giorgia Meloni (45) ist mit zurzeit 24 Prozent (+19,6 gegenüber den Wahlen 2018) die stärkste Partei.
Symbol der Postfaschisten
Giorgia Meloni wird daher auch als neue Ministerpräsidentin und somit erste Frau an der Regierungsspitze gehandelt. Ob ihr Staatspräsident Sergio Mattarella (81) allerdings tatsächlich sein Vertrauen schenken würde, ist fraglich. Nino Galetti (50), Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom sowie Wissenschaftspreisträger des Deutschen Bundestags, sagt über sie: «Meloni hat es bis heute nicht geschafft, sich selbst und ihre Partei von Mussolini-Verehrern, Nazi-Nostalgikern und Rechtsextremisten abzugrenzen.»
Schliesslich habe Mattarella hat schon bei den letzten Wahlen 2018 gezeigt, dass er trotz klarer Machtverhältnisse eine parteilose Persönlichkeit als Premierminister durchsetzen könne – damals Giuseppe Conte (58).
Am Wochenende präsentierte Meloni ihr Wahlkampf-Logo. Im Emblem lodert eine Flamme in den Farben Grün-Weiss-Rot – es ist seit Jahrzehnten das Kennzeichen der Postfaschisten in Italien. Meloni war gebeten worden, auf das Feuer zu verzichten, auch Holocaust-Überlebende appellierten an sie. Sie änderte es nicht. «Es ist ein Symbol, auf das wir stolz sind», sagte Meloni.
In der politischen Deutung stand die Flamme immer für den Geist Mussolinis, der aus seinem stilisierten Sarg, dem schwarzen Balken, strömte und seine Nostalgiker nährte. Benito Mussolini (1884–1945) war ab 1925 Diktator an der Spitze des faschistischen Regimes in Italien.
Rückkehr der Altbekannten
Weitere Kandidaten für den Posten als Regierungschef sind jene, die Draghi im Juli zu Fall gebracht haben, nämlich Lega-Chef Matteo Salvini (49), Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi (85) sowie der zum Fünf-Sterne-Chef avancierte Giuseppe Conte. Es sind alles bekannte Gesichter mit mehr oder weniger zweifelhaftem Ruf.
Salvini war 2018 als damaliger Innenminister in die Schlagzeilen geraten, weil ihm der Enthüllungsjournalist Roberto Saviano (42) eine enge Nähe zur kalabrischen Mafia 'Ndrangheta vorwarf und Salvini ihm deshalb den Polizeischutz entziehen wollte. Er soll auch Parteigelder aus Moskau kassiert haben.
Berlusconi, der vier Mal Ministerpräsident war, wurde wegen Steuerbetrugs verurteilt und mit einem sechs Jahre dauernden Politikverbot belegt. Seine Partei ist inzwischen geschwächt. «Viele Forza-Politiker nehmen Berlusconi übel, dass er zum Sturz von Premierminister Mario Draghi beigetragen hat, und haben die Partei verlassen», sagt Galetti.
Contes Fünf-Sterne-Bewegung war vor fünf Jahren noch stärkste Partei, ist nun aber in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Sie grast einmal links, einmal rechts. Als der Rechtsprofessor Conte von 2018 bis 2021 Ministerpräsident war, wurde ihm Populismus vorgeworfen.
40 Prozent noch unentschlossen
Der russische Präsident Wladimir Putin (69) dürfte die Entwicklungen in Italien mit Genugtuung verfolgen. Galetti: «Wenn man sieht, mit wem Meloni oder auch Salvini auf europäischer Ebene zusammenarbeiten – etwa mit den rechtskonservativen Regierungsparteien in Polen und Ungarn –, ist zu erwarten, dass eine vom Rechtsbündnis getragene Regierung Italien künftig eher EU-kritisch und Moskau-freundlich positionieren würde.»
Das Rennen ist aber noch nicht gelaufen. Nino Galetti: «Bis zu den Wahlen vergehen noch fast sechs Wochen. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen, und rund 40 Prozent der Wahlberechtigten geben an, noch nicht zu wissen, wen sie wählen werden.»