Es herrscht aufgeregtes Treiben in Rom. Jeder, der Beziehungen zu Geheimdienststellen hat, versucht in diesen Tagen, seine Quelle anzuzapfen. Sind italienische Parteien tatsächlich von Wladimir Putin (69) geschmiert worden? Wenn ja, welche? Wer hielt die Hand auf? Und welchen Dienst an den Russen gab es im Gegenzug? Selbst Noch-Premier Mario Draghi (75) rief am Mittwoch US-Aussenminister Anthony Blinken (60) an und fragte nach Details.
Am Tag zuvor, zwölf Tage vor den Regierungswahlen in Italien, lässt das US-Aussenministerium die Bombe platzen: Seit der Besetzung der Krim im Jahre 2014 soll der Kremlchef vorwiegend rechtspopulistische Parteien und Kandidaten in 24 Ländern mit über 300 Millionen Franken finanziert haben, um die jeweiligen Demokratien zu destabilisieren. Der brisante Geheimdienstbericht ging erst an alle Botschaften, dann wurden auch die Medien informiert. Auf der Liste des Geheimdiensts, so berichtet «La Stampa», steht auch Italien.
Die «Brüder Italiens» führen die Wahlumfragen an – noch
In Umfragen liegen die neofaschistischen «Brüder Italiens» mit rund 25 Prozent der Stimmen ganz vorn. Mithilfe der Lega Nord und der Partei Berlusconis «Forza Italia» könnte ihre Vorsitzende, Giorgia Meloni (45), sogar als neue Ministerpräsidentin das Mitte-Rechts-Bündnis anführen. Enthüllungen über heimliche Parteispenden aus Moskau drohen den erwarteten Rechtsruck in Italien auszubremsen. Das zumindest hoffen Mitte-Links-Parteien.
So drängt Enrico Letta (56), Chef der Sozialdemokraten und ehemaliger Premier, auf die sofortige Veröffentlichung des US-Berichts und eine umgehende Untersuchung durch die parlamentarische Kommission für nationale Sicherheit: «Italien muss noch vor den Wahlen erfahren, welche Parteien von einer ausländischen Macht finanziert worden sind, die Europa feindlich gegenüber steht», sagte Letta gegenüber italienischen Medien.
Gemeint ist in erster Linie die Lega Nord. Matteo Salvini (49) ist erklärter Putin-Fan. Er trug auf Wahlveranstaltungen hin und wieder ein T-Shirt mit dem Porträt des Kremlchefs und empörte noch vor Wochen mit Kritik an den EU-Sanktionen gegen Russland. Immer wieder wurde Salvini mit kremlnahen Russen in Verbindung gebracht.
Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen die Lega Nord
Die Lega hatte 2017 einen Vertrag mit Putins Partei «Einiges Russland» zum Informationsaustausch geschlossen. 2018 wurde ein enger Mitarbeiter Salvinis im Moskauer Hotel Metropol ertappt, wie er mit hochrangigen Russen ein Gasgeschäft verhandelte, bei dem, so der Verdacht der ermittelnden Staatsanwaltschaft, 65 Millionen Dollar an die Lega gehen sollten. Zwei Monate vor dem Rücktritt Mario Draghis, im Mai 2022, soll der Mitarbeiter der russischen Botschaft, Oleg Kostjukow, einen Salvini-Berater gefragt haben, ob die Kabinettsmitglieder der Lega nicht die Draghi-Regierung stürzen wollten.
Auch die «Fratelli d'Italia» hätten von Putin profitiert, behauptet der US-Diplomat Kurt Volker (57) gegenüber «La Repubblica». Beide Rechtsparteien weisen jede Schuld von sich. Matteo Salvini beteuert: «Ich habe nie einen Rubel, Euro, Dinar oder Dollar von Russland erbeten oder erhalten.»