Weltweiter Spionage-Skandal
Über 50'000 Nummern betroffen

Geheimdienste weltweit haben mithilfe der Software Pegasus heimlich Politiker, Anwälte und Journalisten ausspioniert.
Publiziert: 18.07.2021 um 20:23 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2021 um 08:19 Uhr
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Mithilfe des Programms Pegasus wurden Tausende weltweit überwacht.
Foto: imago images/Panthermedia

Es wird still und heimlich installiert. Aus der Ferne. Einfach so. Die Software Pegasus der israelischen Firma NSO hat es in sich. Sie gilt als Spionage-Programm Nummer eins.

Kein Wunder: Mithilfe von Pegasus können Gespräche mitgehört, die Kamera aktiviert, der Standort ermittelt und auch Nachrichten mitgelesen werden. Ohne, dass das Opfer etwas davon bemerkt. Ideal für die Arbeit der Geheimdienste. Doch bislang war nicht klar, in welchem Ausmass.

Doch der ist gewaltig. Ein internationales Journalistenkonsortium hat neue Vorwürfe gegen den israelischen Überwachungssoftware-Anbieter NSO veröffentlicht. IT-Experten fanden den Berichten zufolge auf 37 Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern, deren Familienangehörigen und Geschäftsleuten Spuren von Angriffen mit der Pegasus-Software des Unternehmens. Die Nummern seien Teil eines Datensatzes von mehr als 50'000 Telefonnummern, den die Journalisten gemeinsam mit den Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International auswerteten. Die Nummern sollen den Berichten zufolge offenbar von NSO-Kunden als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden sein. NSO wies die Vorwürfe am Sonntag vehement zurück.

Auch Nummern von Staatsoberhäuptern auf der Liste

Zu den betroffenen Telefonnummern zählen laut Bericht die Nummern von zahlreichen Journalisten weltweit. Darunter sind laut «Guardian» auch Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und AP, der Zeitungen «New York Times», «Le Monde», «El País» und der Sender Al-Dschasira, Radio Free Europe und CNN. Insgesamt konnten demnach mehr als 180 Nummern von Journalisten ausgewertet werden.

Wie die «Washington Post» berichtete, standen auf der Liste auch die Nummern von Staatsoberhäuptern und Ministerpräsidenten, Mitgliedern arabischer Königsfamilien, Diplomaten und Geschäftsleuten. Wer die Auftraggeber der möglichen Ausspähungen waren, sei aus dem Leak nicht eindeutig hervorgegangen.

Dem Bericht zufolge wurden nicht alle Nummern gehackt. Mit Hilfe forensischer Untersuchungen seien in 37 Fällen versuchte oder erfolgreiche Angriffe mit Pegasus auf den Handys von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten sowie Geschäftsleuten nachgewiesen worden. Das Unternehmen NSO Group verkauft das Programm den Angaben zufolge nur an staatliche Behörden und zum Zweck der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität.

NSO wollte Handys über Whatsapp anzapfen

Unter den Spionage-Opfern befinden sich auch zwei Frauen, die Jamal Khashoggi (1958–2018) nahestanden. Darunter Hatice Cengiz, die Verlobte des ermordeten saudiarabischen Journalisten. Ihr Handy sei vier Tage nach dem Mord an Khashoggi mit der Schadsoftware Pegasus angegriffen worden. Die NSO Group teilte dazu mit, die Technologie des Unternehmens habe «in keiner Weise» mit dem Mord an dem Journalisten in Verbindung gestanden.

Der Journalist wurde 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul brutal ermordet. Seine Leiche wurde nie gefunden. Ein Spezialkommando aus Riad soll ihn getötet haben. Offenbar im Auftrag des saudischen Königshauses. Khashoggi lebte vor seinem Tod im US-Exil, schrieb dort Kolumnen für die «Washington Post».

NSO war bereits in der Vergangenheit vorgeworfen worden, mit der Software Pegasus totalitären Regierungen bei der Ausspähung von Journalisten und Dissidenten geholfen zu haben. Facebook hatte NSO 2019 in den USA verklagt. Der Vorwurf in der Klage lautet, NSO habe versucht, sich über eine später geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen.

Verleumdungsanklage wird in Erwägung gezogen

Das israelische Unternehmen sprach am Sonntag von «falschen Vorwürfen und irreführenden Behauptungen». Deren Quellen hätten sie mit Informationen versorgt, die keine Faktenbasis hätten. «Die Vorwürfe sind so empörend und weit von der Realität entfernt, dass NSO eine Verleumdungsklage erwägt.»

Seine Technologie werde «ausschliesslich an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste von geprüften Regierungen verkauft, mit dem alleinigen Ziel, durch Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten Menschenleben zu retten». (jmh/SDA/AFP)


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