Russland hat der Welt den Krieg erklärt. Nach vier Terrornächten in Folge in der ukrainischen Handelsmetropole Odessa ist das glasklar. Zehntausende Tonnen Korn sind verbrannt, Lagerhallen und die Hafeninfrastruktur in der Stadt am Schwarzen Meer sind zerstört. Wladimir Putins (70) Bombenregen provoziert eine globale Hungerkrise. Denn Millionen Menschen weltweit sind von den ukrainischen Kornlieferungen abhängig.
Jetzt stelle man sich vor, es gäbe eine mächtige globale Organisation, die sich einzig und allein um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit kümmern müsste. Käme gelegen in Zeiten, in denen ein tyrannisches Regime mit seinen Raketen eine humanitäre Katastrophe herbeibombt und die weltweiten Nahrungsmittelpreise in die Höhe treibt.
Käme gelegen in einem Moment, in dem die Welt dringend einen sicheren Korridor über das Schwarze Meer bräuchte, über den die Getreide-Schiffe ihre lebensnotwendige Ware von der ukrainischen Küste in die hungrige Welt hinaus transportieren können.
Vergessen wir die Uno
Eine solche Organisation gibt es: die Uno. Und in ihrem Gründungsdokument steht schwarz auf weiss, ihr oberstes Ziel sei die Wahrung des «Weltfriedens und der internationalen Sicherheit». Wann ist der Weltfrieden denn mehr gefährdet, als wenn ein rachsüchtiger Machthaber mit seinen Mörderwaffen Schiffchenversenken auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt spielt? Warum tut die Uno nichts?
Die Ohnmacht der Vereinten Nationen angesichts der sich abzeichnenden Hungersnot verursacht fassungsloses Kopfschütteln. Beispiel: Allein in Ägypten sind 72 der 111 Millionen Menschen direkt abhängig von den ukrainischen Getreide-Exporten.
Das Problem ist der allmächtige Sicherheitsrat, die Schaltzentrale der Uno: Ohne die Zustimmung aller fünf Veto-Mächte (China, Russland, USA, Frankreich und Grossbritannien) bleiben der Organisation die Hände gebunden. Und die Veto-Macht Russland blockiert natürlich alles, was ihrem Krieg in die Quere kommt.
Die Uno ist angesichts des russischen Getreide-Terrors nichts als eine besorgte Plauderrunde. Russland aus dem Sicherheitsrat werfen kann man nicht. Der Kreml müsste dazu selbst seine Zustimmung geben. Und dumm sind die Brutalos an Moskaus Machthebeln ja nicht.
Handeln wir nicht, droht die nächste Flüchtlingskrise
Den russischen Erpressungsversuchen darf die Welt keinesfalls nachgeben. Kürzlich sagte Moskau: «Jedes Schiff in ukrainischen Häfen ist aus unserer Sicht ein Kriegsschiff.» Wenn die Uno nicht sichere Handelskorridore garantieren kann, muss es jemand anders tun.
Zum Beispiel die Nato. Das westliche Verteidigungsbündnis ist präsent im Schwarzen Meer. Seine Mitgliedsländer haben ein grosses Interesse daran, dass Länder wie Afghanistan, der Jemen oder Ägypten nicht plötzlich noch tiefer in die (Hunger-)Krise fallen und Heerscharen von Flüchtlingen an den europäischen Gestaden landen. Zudem: Die Route der Getreideschiffe von Odessa an den Bosporus liegt gänzlich in Gewässern der Ukraine und der Nato-Mitglieder Rumänien, Bulgarien und Türkei. Das allerdings birgt das Risiko einer Eskalation. Eine verirrte Rakete, die das falsche Schiff trifft, kann verheerende Folgen haben.
Moskau würde es kaum wagen, ein internationales Schiff abzuschiessen, das an den ukrainischen Gewässergrenzen von einer Nato-Eskorte abgeholt und durch das Schwarze Meer geleitet wird. Putin hat es ja noch nicht einmal gewagt, den meuterischen Sturm seines Wagner-Wüterichs Jewgeni Prigoschin (62) in Richtung Moskau militärisch zu stoppen.
Die Sprache der Diplomatie, in der sich die Uno seit ihrer Gründung 1945 übt, versteht der isolierte Kreml-Herrscher schon lange nicht mehr. Ziemlich sicher aber versteht er die Gestik der massiven Gewaltandrohung eines militärisch übermächtigen Gegners wie der Nato. Es ist der richtige Moment, das herauszufinden.