Welche Rolle Putin dabei spielt
Ist ein Atom-Deal zwischen den USA und dem Iran möglich?

Das iranische Atomprogramm wird zunehmend zur Bedrohung. Berichten zufolge steht das Land kurz vor der Waffentauglichkeit. US-Präsident Trump kündigte Gespräche mit Teheran an. Doch wie stehen die Chancen für Verhandlungen? Der Iran-Experte Reinhard Schulze ordnet ein.
Publiziert: 16:29 Uhr
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Aktualisiert: 16:59 Uhr
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Vergangene Woche verkündete Donald im US-Fernsehen die Entsendung eines Briefes an die iranische Regierung mit Ayatollah Ali Chamenei.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Trump fordert Iran zu Atomverhandlungen auf – Iran dementiert
  • Experte sieht Trumps Russlandannäherung als möglichen Türöffner für Gespräche
  • IAEA: Irans Uranvorräte mit über 60 Prozent Anreicherung auf 275 Kilogramm gestiegen
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Daniel MacherRedaktor News

Vergangene Woche überraschte Donald Trump (78) in einem Interview mit dem US-Sender Fox-News mit einer Äusserung. Er habe einen Brief an die iranische Regierung geschickt, so der US-Präsident. Darin die Forderung zu Verhandlungen über das Atomprogramm. Dem geistlichen Oberhaupt Irans, Ayatollah Ali Chamenei (85), habe er erklärt, dass eine Verhandlungslösung «viel besser für den Iran sein wird». Ohne Verhandlungen müssten die USA militärisch intervenieren – «und das wird eine fürchterliche Sache für sie sein», warnte Trump. Iran dürfe keine Atomwaffen besitzen.

Die iranische Regierung in Teheran dementierte den Erhalt eines solchen Briefes. «Wir haben davon gehört, aber wir haben nichts bekommen», sagte Aussenminister Abbas Araghchi (62) im iranischen Staatsfernsehen. Auch Chamenei reagierte inzwischen und sprach in Bezug auf die USA von einer «Tyrannen-Regierung». «Ihre Verhandlungen zielen nicht auf die Lösung von Problemen ab, sondern auf Vorherrschaft», so der Revolutionsführer.

Schon seit längerem Gerüchte über Verhandlungen

Schlechte Vorzeichen für baldige Gespräche könnte man meinen. Aber woher der Sinneswandel des US-Präsidenten, nachdem die USA 2018 in seiner Amtszeit aus dem Programm ausgestiegen waren?

Reinhard Schulze, Iran-Experte und emeritierter Professor an der Universität Bern, sieht es so: «Gerüchte über eine US-amerikanische Gesprächsbereitschaft mit der iranischen Führung über die Wiederaufnahme der Verhandlungen über Irans Atomprogramm gibt es schon länger. Trumps neue Russlandpolitik diente hierbei als Türöffner», sagt er zu Blick. Diese habe wesentliche Auswirkungen auf die Gemengelage und die Allianzen im Nahen Osten, so Schulze.

Zudem sehe Trump im Zusammenbruch der iranisch dominierten «Achse des Islamischen Widerstands» eine entscheidende Schwächung Irans. Ein Schulterschluss mit Russland würde Iran fast zwangsläufig als treuen Verbündeten Russlands an den Verhandlungstisch zwingen.

Doch wie steht es aktuell um die mögliche Produktion einer Atombombe im Iran? In einem Bericht der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) heisst es, die Vorräte an Uran mit einem Anreicherungsgrad von über 60 Prozent seien seit Ende Oktober um gut 91 Kilogramm auf rund 275 Kilogramm angestiegen. Die Islamische Republik wäre damit beinahe waffentauglich. 

Das Wiener Atomabkommen

Das Atomabkommen wurde 2015 zwischen den Uno-Vetomächten – den USA, China, Russland, Grossbritannien, Frankreich – sowie Deutschland und dem Iran in Wien beschlossen. Ziel war es, den Iran daran zu hindern, Atommacht zu werden. Dafür verpflichtete sich das Land, bestimmte Regeln einzuhalten: unter anderem eine Obergrenze von 3,67 Prozent bei der Urananreicherung. Im Gegenzug versprach man dem Iran die Aufhebung von Sanktionen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

2018 zogen die USA unter Präsident Donald Trump aus dem Abkommen zurück und verhängten erneut Sanktionen. Bereits 2019 erhöhte der Iran die Urananreicherung drastisch. Derzeit schätzt man sie auf über 60 Prozent.

Offiziell beteuert die Islamische Republik, keine Atomwaffen zu besitzen oder anzustreben. Doch politische Hardliner fordern immer lauter, diese Haltung aufzugeben.

Das Atomabkommen wurde 2015 zwischen den Uno-Vetomächten – den USA, China, Russland, Grossbritannien, Frankreich – sowie Deutschland und dem Iran in Wien beschlossen. Ziel war es, den Iran daran zu hindern, Atommacht zu werden. Dafür verpflichtete sich das Land, bestimmte Regeln einzuhalten: unter anderem eine Obergrenze von 3,67 Prozent bei der Urananreicherung. Im Gegenzug versprach man dem Iran die Aufhebung von Sanktionen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

2018 zogen die USA unter Präsident Donald Trump aus dem Abkommen zurück und verhängten erneut Sanktionen. Bereits 2019 erhöhte der Iran die Urananreicherung drastisch. Derzeit schätzt man sie auf über 60 Prozent.

Offiziell beteuert die Islamische Republik, keine Atomwaffen zu besitzen oder anzustreben. Doch politische Hardliner fordern immer lauter, diese Haltung aufzugeben.

Eine Chance für den Iran?

Doch gegen wen würde der Iran diese einsetzen? Israel? Welche Gefahr geht von der Republik aus? Iran-Experte Schulze: «Bislang konnte der Iran davon ausgehen, dass es sich im Kriegsfall unter den russischen Atomschirm retten könnte. Trumps Russlandannäherung hat diese Sicherheit schwer erschüttert. In Iran legen dies einige so aus, dass nur mit einer eigenen Atombewaffnung Sicherheit durch Abschreckung gewährleistet sei. (…) Die Atombewaffnung ist so auch für Iran zunächst defensiver Natur.»

Für den Iran wäre eine Öffnung zum Westen hin aktuell von Vorteil. Nie befand sich das Land seit Gründung der Islamischen Republik in einem desolateren wirtschaftlichen Zustand. Zudem schwindet der Rückhalt in der Gesellschaft zusehends. Ein Ende der Sanktionen könnte einen Aufschwung mit sich bringen und den Widerstand in der iranischen Gesellschaft besänftigen.

«Irans Präsident Massud Peseschkian (70) hat in jüngster Zeit immer wieder auf die Grenzen der Durchsetzbarkeit der Ordnung hingewiesen, die mit dem System der Islamischen Republik verbunden ist. Er sieht in der Reform der Beziehungen zu den USA und Europa eine Möglichkeit, neue Freiräume in der Islamischen Republik zu schaffen, ohne diese abzuschaffen», erklärt Schulze.

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