Das Internet ist voll mit Bildern von ausgebrannten russischen Panzern und gefangenen russischen Soldaten: Wladimir Putin (69) kann sich seinen Krieg in der Ukraine nicht so vorgestellt haben. Ulrich Schmid (56), Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen, sagt zu Blick: «Was man momentan in der Ukraine sieht, ist ganz klar ein Plan B.» Putin habe gedacht, dass seine Truppen bejubelt werden. Stattdessen leisten die Ukrainer erbitterten Widerstand.
Trotz militärischen Verlusten und Milliardenschäden an der russischen Wirtschaft: Dass Putin seine Soldaten in dieser Situation stoppt, kann sich Ulrich Schmid nicht vorstellen: «Er hat alle Brücken hinter sich abgebrochen.»
Steht das Schlimmste noch bevor?
Auf die Frage, wie man den russischen Präsidenten zum Rückzug seiner Truppen bewegen könnte, gibt es momentan keine Antwort. Andrij Melnyk (46), der ukrainische Botschafter in Deutschland, formulierte es in einer Fernsehsendung so: «Wenn ein Verbrecher jemanden ein Messer an die Kehle hält, fragt man doch nicht das Opfer, was es tun kann, damit dieser Verbrecher sein Gesicht wahren kann?»
Tatsächlich sieht es so aus, als würde Putins Plan B bedeuten: Er macht den Krieg noch blutiger, holt noch schwerere Waffen aus seinem Arsenal. Momentan rollt ein nicht enden wollender Konvoi russischen Kriegsgeräts auf die ukrainische Hauptstadt Kiew zu. Und immer wieder gibt es mehr oder weniger offene Drohungen mit Atomwaffen.
Dass die militärische Strategie nicht aufging, ist nicht das einzige Problem des russischen Präsidenten. Auf den Strassen Moskaus sind die Auswirkungen der internationalen Sanktionen sichtbar. «Die Menschen stehen vor den Bancomaten Schlange und haben Angst um ihr Erspartes», so Schmid, der enge Kontakte ins Land hat.
Russland hat sich nachhaltig isoliert
Er könne sich gut vorstellen, dass es sich dabei nur um den ersten Akt von Strafmassnahmen gegen Russland handelt, falls sich der Krieg noch ausweitet. Und, dass die Kriegsunterstützung der Russen zusammenbrechen könnte, wenn die russische Wirtschaft noch schwerer getroffen wird. Denn momentan sei die Zustimmung zur «Spezialoperation», wie Putin den Krieg schönredet, noch «relativ weit verbreitet», so der Experte.
Russland habe sich international nachhaltig isoliert. «Ich glaube, das würde sich nicht einmal unmittelbar ändern, wenn in Russland irgendwann jemand anderes ins Präsidentenamt käme.» (sac)