«Wir haben darauf gewartet, dass die Tenderboote zurückkommen und uns abholen. Aber sie sind nicht zurückgekommen – also sind wir hier gestrandet», erzählt der US-Amerikaner Jay Campbell. Er, seine Frau Jill sowie vier weitere Amerikaner und zwei Australier erlebten den puren Kreuzfahrt-Horror.
Die Feriengäste waren mit «Norwegian Cruise» auf einer 21-tägigen Kreuzfahrt durch Afrika. Bereits an Tag acht endete der Spass aber in einem kleinen Inselstaat vor der Küste Afrikas, in São Tomé und Príncipe.
Unter den Zurückgelassenen waren eine Schwangere, ein Querschnittgelähmter und ein älterer Mann mit einer Herzkrankheit. Sie alle sind am 27. März ohne Dokumente, Medikamente und Koffer auf der Insel gestrandet. Ganz unschuldig waren sie aber nicht.
Inselrundfahrt dauerte zu lange
«Wir waren auf einer Inselrundfahrt, aber hatten ein Problem auf der Tour, sie brachten uns nicht rechtzeitig zurück», so Campbell zum TV-Sender WMBF News. Die vom Schiff vorgegebene Abfahrtszeit war 15 Uhr. Doch die Rundfahrt zog sich in die Länge. «Wir dachten, unsere Zeit wird wirklich knapp, und der Reiseleiter sagte: ‹Kein Problem, wir können Sie innerhalb einer Stunde zurückbringen›.» Anschliessend soll er das Schiff über die Verspätung informiert haben – viel gebracht hat das allerdings nicht.
Als die Gäste am Hafen eintrafen, soll das Schiff noch dort gewesen sein. Der Kapitän habe sich gemäss Campbell aber geweigert, die Passagiere an Bord zu lassen. «Er hätte leicht entscheiden können, eines der Beiboote umzukehren, uns abzuholen und dann weiterzufahren. Am nächsten Tag war kein Hafen geplant, sie waren nur auf See», beschwert sich Campbell.
Zweiter Boarding-Versuch geht schief
Er und seine Frau waren die einzigen Passagiere, die eine Kreditkarte bei sich hatten. Für alle Zurückgebliebenen mussten sie rund 5000 US-Dollar für Essen und Unterkünfte bezahlen. Hinzu kamen Kosten für die Weiterreise. Denn aufgeben wollten die Kreuzfahrer nicht. Trotz gesundheitlicher Einschränkungen und fehlender Impfdokumente gelang es den Passagieren, nach Gambia zu fliegen, wo das Schiff am Ostersonntag Halt machte.
Nach einer 15-stündigen Reise durch sechs Länder dann aber die nächste Panne: Das Schiff konnte wegen Ebbe nicht anlegen. Die Reise war umsonst. Nun will die Gruppe versuchen, einen Hafen in Senegal anzupeilen. «Wir haben viel für diese Reise nach Afrika bezahlt, also hoffen wir, den Rest dieser Reise zu überstehen und in Spanien zu enden», so Campbell.
Dazu müssen die Passagiere aber erneut eine komplizierte Anfahrt auf sich nehmen – eigentlich per Fähre und Bus. Nur: Die Fähre soll aktuell nicht funktionieren. Ob die Reise mit einem Ersatzboot gelingen wird, bleibt unklar.
Unternehmen zeigt keine Reue
Das Kreuzfahrtunternehmen zeigt wenig Mitleid. In einer Erklärung beteuert die Firma: «Acht Gäste, die allein oder mit einer privaten Tour unterwegs waren, verpassten den letzten Tender zurück zum Schiff. Auch wenn dies eine sehr unglückliche Situation ist, sind die Gäste dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass sie rechtzeitig zum Schiff zurückkehren. Wenn Gäste nicht pünktlich kommen, werden ihre Pässe den örtlichen Hafenagenten übergeben, damit sie sie bei ihrer Rückkehr in den Hafen abholen konnten.»
Das Unternehmen stehe aktuell in «enger» Zusammenarbeit mit örtlichen Hafenagenten, um die Gäste am nächsten Anlaufhafen an Bord zu holen. (mrs)