Das Video könnte Boris Johnson (57) den Kopf kosten, obwohl es schon ein Jahr alt ist: Es sind Aufnahmen aufgetaucht, die beweisen, wie Regierungsbeamte mitten im Lockdown 2020 in der Downing Street 10 eine Weihnachtsfeier veranstalteten – während Millionen Briten ihre Liebsten nicht sehen durften.
Der britische Premierminister war zwar selbst nicht an der Party. Wusste aber über das wilde Treiben an seinem Amtssitz Bescheid. Und trotzdem log er die Öffentlichkeit an, als erste Gerüchte um die Weihnachtsfeier die Runde machten. Eine Party habe es nicht gegeben, betonte die Regierung bislang. Das Video, das am Mittwoch publik wurde, beweist das Gegenteil. Inzwischen hat Johnson eine interne Untersuchung angekündigt.
Das reicht vielen Briten aber nicht. Die Aufnahmen von der Weihnachtsfeier sorgen in Grossbritannien für mächtig Empörung. Aktuelle Blitzumfragen ergaben nun, dass eine Mehrheit der britischen Wähler der Meinung ist, Johnson sollte zurücktreten. Dass es von der Opposition scharfe Kritik und Rücktrittsforderungen hageln würde, war zu erwarten. Doch nun wurde selbst auf der Titelseite des den Torries nahestehenden «Telegraph» ein Kommentar mit der Frage angerissen: «Der Anfang vom Ende für Boris?».
Wirbel um Renovierung seiner Dienstwohnung
Die Stimmung ist aufgeheizt. Denn es ist nicht der einzige Skandal, der gerade Johnson zu schaffen macht. Allen voran: der Luxus-Umbau seiner Dienstwohnung. In dem Haus neben der offiziellen Residenz des Regierungschefs wohnt er mit seiner Familie. Johnson soll für die Arbeiten eine nicht deklarierte Parteispende verwendet haben.
Die Firma Huntswood Associates Limited eines parteinahen Unternehmers hatte im Oktober 2020 nach Angaben der britischen Wahlkommission 67'000 Pfund (rund 82'000 Franken) an die Tories gespendet, doch nur 15'000 Pfund (18'000 Franken) davon wurden korrekt deklariert. Die Konsequenz: Johnsons Partei muss eine Strafzahlung in Höhe von rund 20'000 Franken abdrücken.
«Boris Johnson ist ungeeignet, unser Land zu führen»
Und auch in diesem Fall hat Johnson nachweislich gelogen. Der Premierminister hatte noch im April 2021 im Parlament versichert, «persönlich für die Renovierung bezahlt» zu haben – ohne zu erwähnen, dass bei dem Vorgang eine Parteispende im Spiel war.
Dabei zeigt der Bericht der Wahlkommission, dass Johnson bereits im November 2020 über die Finanzierung der Renovierungsarbeiten Bescheid wusste. Der Chef der Labour-Partei, Keir Rodney Starmer, forderte die Tory-Partei dazu auf, Johnson zu stürzen. «Boris Johnson ist ungeeignet, unser Land zu führen», schrieb der 59-Jährige am Freitag auf Twitter.
«Wir müssen angesichts dieses Virus demütig sein»
Und inmitten des ganzen Ärgers verkündete Johnson, dass die Corona-Massnahmen angesichts der hohen Zahlen verschärft werden müssen. Darunter eine Ausweitung der Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen für Grossveranstaltungen , die nur noch mit einem Impfpass oder einem negativen Corona-Test besucht werden dürfen.
«Wir müssen angesichts dieses Virus demütig sein», erklärte Johnson. Wegen des Weihnachtsfeier-Skandals fühlen sich viele Briten zum Narren gehalten.
Mehrere Dutzend Abgeordnete haben bereits angekündigt, am kommenden Dienstag im Parlament gegen die Regeln zu stimmen. Sie fürchten schlimme Folgen für die Wirtschaft und werfen Johnson vor, mit den Massnahmen von mehreren Skandalen ablenken zu wollen.
Gesundheitsminister musste zurücktreten
Johnsons Regierung war bereits mehrfach wegen ihres Umgangs mit den Corona-Beschränkungen kritisiert worden. Im Mai trat Gesundheitsminister Matt Hancock (43) nach Vorwürfen zurück, er habe es mit den verhängten Auflagen selbst nicht so ernst genommen.
Zuvor hatte Johnsons damaliger Spitzenberater Dominic Cummings (50) mit offensichtlichen Verstössen gegen die Corona-Auflagen für einen Skandal gesorgt.