Seit Wochen drängt das ukrainische Militär die russischen Aggressoren immer weiter zurück, das russische Militär leidet unter Personal- und Materialmangel: Der Frust der russischen Soldaten an der Front ist deshalb gross. So gross, dass einige Soldaten sogar mit dem Rückzug drohen.
Ein Video, das auf dem proukrainischen Telegram-Kanal «Supernova Plus» publiziert wurde, soll dies belegen. Darin sind mehrere Soldaten in russischer Uniform zu sehen, die in einem Stall oder einer Scheune stehen. Wann und wo genau das Video aufgenommen wurde, ist unklar.
Soldaten wollen Dienst an der Front verweigern
Einer der Männer liest von einem Blatt Papier ab. Seine Worte richtet er im Namen seiner Kumpanen an Kremlchef Wladimir Putin (70) und den russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68). Laut dem Soldaten sind sie Teil der 108. motorisierten Schützenbrigade, seit dem 25. August in der ostukrainischen Oblast Donezk nahe Bachmut, bei der Ortschaft Klischtschijiwka, im Einsatz.
Klischtschijiwka wurde laut dem ukrainischen Präsident Wolodimir Selenski (45) am Freitag vom ukrainischen Militär befreit. Das verkündete er in einer Videobotschaft, kurz nachdem auch die naheliegende Ortschaft Andrijiwka zurückerobert worden war.
Der Grund laut den russischen Soldaten im Video: Es habe keine Luft- oder Artillerieunterstützung gegeben, keine Abwehrmassnahmen. Dadurch habe es «kolossale Verluste» gegeben, so der Soldat. Bis zu 75 Prozent seiner Einheit seien getötet oder verletzt worden. Nun drohen er und 500 weitere Soldaten an, ihren Dienst einzustellen.
Laut einem ukrainischen Geheimdienstbericht würden pro Woche rund 100 Russen wegen Dienstverweigerung im Krieg verhaftet und verurteilt werden. Das britische Verteidigungsministerium schätzt, dass es jährlich bald etwa 5200 Verurteilungen von russischen Soldaten geben wird, die sich vor dem Krieg drücken.
In Russland geht die Angst um
Damit reihen sich die Soldaten aus dem Video ein in die vielen russischen Kriegskritiker. Sogar prorussische Militär-Blogger zweifeln langsam, aber sicher an einem russischen Erfolg in der Ukraine.
«Die Front bricht zusammen», hiess es am Mittwochabend beispielsweise bei «Alex Parker Returns» – einem Kanal, der immer wieder über die Situation der Russen an der Front berichtet. Offenbar geht dort die Angst um, dass ukrainische Truppen schon bald die besonders schwer umkämpfte Stadt Bachmut kontrollieren könnten: Wenn alles so weitergehe, müsse die Stadt «bald aufgegeben» werden.
Das russische Militär versucht zwar mit aller Kraft, den ukrainischen Fortschritt auszubremsen, doch die ukrainische Gegenoffensive befindet sich noch immer in voller Fahrt. Experten sind sich einig: Die Ukraine könnte bald einige signifikante Erfolge erzielen. (chs)