Überraschende Erfolge jetzt auch im Osten
Ukraine gelingt gewaltiger Schlag im Donbass

Die ukrainische Befreiung von Opytne kam für die Russen so überraschend, dass sie bei ihrem Rückzug in eine tödliche Falle liefen. Putin reagiert überhastet und will seine mörderische Kriegsmission mit 140'000 neuen Rekruten voranbringen. Eine Analyse.
Publiziert: 12.09.2023 um 18:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2023 um 16:23 Uhr
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Der Ukraine gelang im Donbass ein weiterer Vorstoss.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Damit hatten die Russen nun wirklich nicht gerechnet. Während Wladimir Putin (70) seine Reservisten im Eiltempo vom Donbass hinunter in die Region Saporischschja verfrachten lässt, damit sie da den ukrainischen Vormarsch rund um Robotyne stoppen, schlägt die Ukraine wie aus dem Nichts vor den Toren der seit 2015 russisch besetzten Grossstadt Donezk zu.

Anfang Woche eroberten Wolodimir Selenskis (45) Kämpfer die nördliche Hälfte der Ortschaft Opytne, nur ein paar Felder vom besetzten Flughafen von Donezk entfernt. Ukrainische und russische Quellen haben den blitzartigen Vorstoss bestätigt. Noch viel überraschender aber war, was als Nächstes passierte.

Auf ihrem Rückzug Richtung Süden gerieten die überrumpelten russischen Soldaten in schweres Artilleriefeuer. 27 Männer kamen ums Leben, 34 wurden schwer verwundet. Ins Visier genommen hatten sie aber nicht etwa die Ukrainer, sondern ihre russischen Kollegen auf dem besetzten Donezker Flughafengelände.

Vorfall verunsichert die Russen zutiefst

Die waren überzeugt, dass es sich bei den heranstürmenden Truppen um ukrainische Angreifer handelt. «Chaotisch, fast panisch» sei der Rückzug der Russen aus Opytne vonstattengegangen, berichtet ein Augenzeuge gegenüber dem Militärblog «WarGonzo», der dem russischen Geheimdienst nahesteht. «Das ist beängstigend. Niemand versteht, wie das möglich war.»

Der Vorfall zeigt, wie katastrophal die Kommunikation zwischen den verschiedenen Einheiten an der russischen Front funktioniert. Statt die Übersicht zu behalten, schiesst man auf alles, was sich bewegt – und erledigt damit manchmal auch die blutige Drecksarbeit für die ukrainischen Streitkräfte.

Vertreter der russischen Söldner-Gruppe «Russitsch» hatten sich in den vergangenen Tagen über den Nachrichtendienst Telegram vermehrt über die schlechten Front-Funkverbindungen beklagt. Ohne klare Kommunikation ist jede Kriegsmission zum Scheitern verurteilt.

Historische Rückeroberung von 2015 besetzten Gebieten

Apropos Kommunikation: Ein historischer Schlag gegen die russischen Angreifer gelang den Ukrainern bereits Ende August, wie jetzt bekanntgeworden ist. Ukrainische Spezialeinheiten eroberten mehrere als «Boyko-Türme» bekannte Bohrinseln zwischen Odessa und der Krim.

Die Plattformen nutzten die Russen seit 2015 als Heli-Landeplätze und Standorte für militärische Radargeräte. Diese Überwachungsgeräte in Moskaus Dienst haben die Ukrainer jetzt abmontiert. Man habe die «russischen Augen und Ohren» in der Gegend entfernt, erklärte ein Kiewer Kriegsstratege.

Mit dem Angriff auf die Boyko-Türme gelang den Ukrainern zum allerersten Mal die Rückeroberung eines seit 2015 von Russland besetzten Gebietes. Ein weiterer historischer Teilsieg. Und ein weiteres Indiz für die russische Überforderung mit der eigens auferlegten mörderischen Mission.

Putin will nochmals 140'000 Männer rekrutieren

Wie das britische Verteidigungsministerium Anfang Woche berichtet, will Putin für seine Mission bis Ende Jahr noch einmal 140'000 Soldaten für seinen blutigen Krieg rekrutieren – zusätzlich zu den 280'000, die bereits einen Marschbefehl erhalten haben.

Wenn sich die unerfahrenen Rekruten an der Front weiterhin gegenseitig in den Rücken schiessen, weil ihnen die Ausbildung und Mittel für einen funktionierenden Informationsaustausch fehlen, dann werden auch die 140'000 Neulinge in Putins Reihen seine Grossmachtfantasie nicht befriedigen können.

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