Auf Trumps Corona-Skandal folgt eine weitere Empörung: Warum hat Journalist Bob Woodward (77) mit der Veröffentlichung seiner Interviews mit Donald Trump (74) so lange zugewartet?
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der US-Präsident in mehreren Gesprächen mit Woodward zugegeben hatte, die Corona-Gefahr bewusst heruntergespielt zu haben. So hatte er von den Gefahren schon Ende Januar gewusst, die Pandemie aber als «Schwindel der Demokraten» bezeichnet. Alle seine Aussagen sind auf Tonband belegt.
Trump wird harsch kritisiert. Journalist Carl Bernstein (76), der zusammen mit Bob Woodward die Watergate-Affäre aufgedeckt und so den damaligen Präsidenten Richard Nixon (1913–1994) im Jahre 1974 zu Fall gebracht hatte, glaubt, dass die Enthüllungen seines Kollegen «gravierender» seien als damals bei Watergate.
«Hier ist ein Fehler passiert»
Nun aber wird gegen Woodward, der die Aufzeichnungen nächste Woche im Buch «Rage» (Wut) herausgibt, selber Kritik laut: Warum hat er die Öffentlichkeit nicht früher über Trumps skandalösen Aussagen, bei denen es um Leben und Tod geht, informiert? So schreibt etwa Scott Nover, ein Reporter der US-Werbezeitschrift Adweek: «Das ist verstörend. Journalisten sollten im öffentlichen Interesse arbeiten. Ich denke, dass hier ein Fehler passiert ist.»
Besserer Überblick im Buch
Woodward hatte mit Trump zwischen Dezember 2019 und Ende Juli 2020 insgesamt 18 Interviews durchgeführt. Gegenüber der «Washington Post» erklärte er, dass er mit einem Buch den besseren Überblick liefern könne als mit einem einzelnen Artikel. Es habe Monate gedauert, um selber alles zu verstehen und einen Text zu erstellen, der alles in Zusammenhang bringe. Er habe das mit Trump auch so besprochen. Woodward: «Ich sagte ihm, dass es für das Buch sei.»
Er habe sich bemüht, in Buchform die «bestmögliche Version der Wahrheit» zu liefern und nicht einzelne Enthüllungen zu veröffentlichen. Woodward: «Das grösste Problem, das ich hatte, was bei Trump immer ein Problem ist, war, dass ich nicht wusste, ob es wahr ist.»
Er habe aber darauf geachtet, dass das Buch rechtzeitig vor der Präsidentschaftswahl vom 3. November auf den Markt komme, damit die Leser noch rechtzeitig ein Urteil fällen könnten.
Woodward stand schon 2005 in den Schlagzeilen, weil er Wissen lange zurückbehalten hatte. Es ging damals um die Plame-Affäre. Woodward musste zugeben, dass er die Indiskretionen von Regierungsmitarbeitern, die zur Enthüllung der Identität der CIA-Undercover-Agentin Valerie Plame (57) geführt hatten, schon lange gekannt hatte. Die «Washington Post» nannte dieses Vergehen damals eine «schwere Sünde».
«Schlimmstes Verbrechen»
Im Zentrum des Skandals steht aber immer noch Donald Trump. Die Wogen gegen seine Aussagen gehen hoch. Trump-Herausforderer Joe Biden (77) sagt: «Er hat das amerikanische Volk angelogen.»
Und Journalist Carl Bernstein wettert: «Das ist das schlimmste Verbrechen eines US-Präsidenten.» Tausende und Abertausende von Menschen seien gestorben, weil Trump seine eigene Wiederwahl über die Sicherheit, Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen in den Vereinigten Staaten gestellt habe. «Wir hatten noch nie einen Präsidenten, der so etwas getan hat.» (gf)