Es tat weh, zu sehen, wie sich Joe Biden (81) in der Nacht auf Freitag gegen Donald Trump (78) durch das TV-Duell kämpfte. Er stotterte, hatte Aussetzer, redete mit leiser Stimme. Dieser alternde Mann, so denken viele, darf nicht ein zweites Mal als Präsident der Vereinigten Staaten antreten.
Die einzige Möglichkeit, einem neuen Kandidaten oder einer neuen Kandidatin Platz zu machen, wäre ein freiwilliger Rücktritt aus dem Wahlkampf. Wer weiss, ob Biden das nicht am liebsten machen würde. Sicher ist aber: Seine Frau Jill (73) will es nicht. Sie bestimmt nicht nur über den mächtigsten Mann der Welt, die promovierte Englischlehrerin behandelt ihn zeitweise auch wie ein kleines Kind.
Beispiele ihres Einflusses gefällig?
Nach dem TV-Duell gegen Donald Trump klatschte Jill Biden in die Hände und rief ihrem Mann – so wie man ein kleines Kind ermuntert – zu: «Joe, du hast einen grossartigen Job gemacht! Du hast alle Fragen beantwortet, du wusstest alle Fakten.»
Am Gedenkanlass des D-Day in der französischen Normandie zog Jill Biden ihren Mann bevormundend von den Veteranen weg, während der französische Präsident Emmanuel Macron (46) weitere ehemalige Soldaten begrüsste.
Auch gegenüber den Wahlkampfspendern führt sie das Wort. Nachdem Sonderermittler Robert Hur (51) Biden ein «schlechtes Gedächtnis» attestiert hatte, griff Jill Biden selbst in die Tasten und bezeichnete die Kritik in einer Mail als falsch und politisch motiviert. Unterzeichnet: «In Liebe, Jill.»
Bidens Werte schnell gesunken
Zudem eröffnet Jill Biden Schulen, besuchte während Corona Impfzentren und reiste in republikanische Bundesstaaten, um Bidens Wiederaufbauplan nach der Pandemie vorzustellen. Die «Vogue» schrieb damals über Jill Biden: «Bei diesen Besuchen erfüllt sie in vielerlei Hinsicht weder die Rolle der First Lady noch die der Professorin, sondern die einer Schlüsselfigur in der Regierung ihres Mannes, einer Vertreterin des Weissen Hauses und einer politischen Fürsprecherin.»
Auch jetzt, da es um ein mögliches Comeback des Populisten Trump geht, hält sie die Fäden in der Hand. Einem neuen, jüngeren und fitteren Kandidaten Platz zu machen, scheint für sie ausgeschlossen zu sein. Sie, mit ihrer Familie im Hintergrund, besteht darauf, dass Joe im Rennen bleibt. Und das trotz seiner Altersgebresten, seines verheerenden Auftritts bei CNN und seiner Umfragewerte, bei denen er in den wenigen Tagen nach dem TV-Duell von einem 0,2-Prozent-Punkte-Vorsprung auf 1,3 Prozente hinter Trump zurückgefallen ist.
«Sie mag Macht»
Douglas Brinkley, Historiker an der Rice University in Houston, bezeichnet Jill Biden als machthungrig. In einem Interview auf CBS im Februar sagte er: «Sie mag Macht. Sie will bleiben. Sie will ein Gefühl der Rache.» Es sei für sie schwierig, nach einem langen Kampf und nach vielen Anfeindungen im letzten Augenblick alles sausen zu lassen.
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Philipp Adorf, USA-Experte an der Universität Bonn und Mitautor des Buchs «Zerreissprobe für die Demokratie», weist generell darauf hin, dass First Ladys – zumindest auf demokratischer Seite – an Gewicht und Einfluss gewonnen hätten.
Einfach Trump verhindern
Im Gespräch mit Blick differenziert er aber. Jill Biden als «machthungrig» zu bezeichnen, sei eine Mutmassung. Im Gegensatz etwa zu Hillary Clinton (76) habe Jill Biden keine Karriere als Politaktivistin hinter sich, womit die Argumentation schwierig werde, dass sie endlich eigene politische Ziele umsetzen könnte. Vorwürfe des Machthungers stammten oft aus dem konservativen Lager, um das Bild eines Politikers zu zementieren, der seinen Pflichten nicht mehr nachkommen könne.
Statt um Macht gehe es Jill Biden wohl eher ums Wohl der USA. Adorf: «Ich glaube, dass Jill Biden wie ihr Ehemann davon überzeugt ist, das Biden-Team habe die besten Chancen, ein weiteres Mal Donald Trump zu schlagen und damit die amerikanische Demokratie vor einer grossen Bedrohung zu bewahren.»