Joe Biden (81) ist als Präsidentschaftskandidat nicht mehr tragbar. Zu diesem Schluss müssen nach seinem desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte gegen Donald Trump (78) selbst seine hartgesottensten Verteidiger kommen.
Die ganz grosse Frage vor dieser Debatte lautete: Ist der amtierende US-Präsident fit genug, um seinen Job vier weitere Jahre zu machen? Die Antwort fällt überdeutlich aus – aus drei Gründen. Und: Es gibt nur eines, was die Demokraten vor dem Desaster bei den Präsidentschaftswahlen am 5. November retten kann.
Biden wirkt viel älter als seine 81 Jahre
Die Demokraten hatten vor dem Fernseh-Duell bewusst versucht, die Messlatte für ihren Kandidaten tief anzusetzen. Mit seinen oft verwirrten Antworten unterbot Biden aber selbst die tiefsten Erwartungen. Biden, der – genau wie Trump – keinen Schluck Alkohol trinkt, wirkte streckenweise so, als hätte er sich an der vorgezogenen Party zum amerikanischen Nationalfeiertag auf der US-Botschaft in Bern am Donnerstagabend zu viele Cocktails gegönnt.
Seine Versprecher wurden mit zunehmender Dauer der Debatte immer häufiger: Er sprach vom «Pariser Friedensabkommen» statt vom Klimaabkommen, von «Billionären» statt «Milliardären» (Biden sprach von «trillionaires», was auf Englisch Billionäre bedeutet, und korrigierte sich dann auf «billionaires», was Milliardäre bedeutet), behauptete, sein Sohn sei im Irak gestorben (und korrigierte sich kurz darauf) und verwechselte mindestens einmal Donald Trump mit Wladimir Putin. Gefühlt hundertmal begann er seine Antworten mit der Floskel: «Die Idee, dass …, ist lächerlich.»
Seine heisere, brüchige Stimme – laut demokratischen Strategen eine Folge einer Erkältung – liess den US-Präsidenten schon akustisch schwach erscheinen. Selbst amerikanische Zuschauer bekundeten oft Mühe, den Präsidenten überhaupt zu verstehen. Auch Trump bemerkte nach 22 Minuten nicht zu Unrecht: «Es tut mir leid, aber ich weiss wirklich nicht, was er mit diesem Satz gemeint hat. Ich glaube, er weiss es selbst nicht.»
Trumps Lügen schaden ihm nicht
Die Fakten-Überprüfer der «New York Times» tippten sich während der 90-minütigen Debatte die Finger wund ob all der Falschaussagen des einstigen US-Präsidenten. Doch Trumps Lügen (über seine Rolle beim Sturm aufs Kapitol, über seinen Pornstar-Prozess oder seine Leistung als US-Präsident) können dem Republikaner wenig anhaben.
Niemand – auch nicht seine Anhänger – erwarten von Trump, dass er plötzlich zum faktentreuen Musterschüler wird, der sich strikt an die Wahrheit hält. Biden kann Trump noch so oft als «Lügner» und «Nörgler» bezeichnen: Es wird an ihm abprallen wie fast alles, das die Demokraten bisher gegen den inzwischen verurteilten Straftäter Trump ins Feld führen.
Biden verpennte wichtigsten Moment der Debatte
Biden wäre am Ende seiner zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. Es war glasklar, dass die beiden CNN-Moderatoren Dana Bash und Jake Tapper den Demokraten darauf ansprechen würden. Und ganz sicher hat Bidens Team den Präsidenten bei den tagelangen Vorbereitungen auf die Debatte auf dem präsidialen Landsitz Camp David auf die alles entscheidende Frage nach dem Alter vorbereitet.
Doch statt einer originellen und überzeugenden Antwort brabbelte Biden vor sich hin und verwies darauf, dass ja auch Trump schon 78 sei. Statt seiner Wählerschaft die Angst vor dem greisen Mann im Weissen Haus zu nehmen, machte Biden tragischerweise deutlich, dass er nicht einmal auf die offenkundigste aller Fragen vorbereitet ist.
Wie man die Frage nach dem Alter überzeugend beantwortet, zeigte kurz darauf Trump: «Ich fühle mich so fit wie vor 25 Jahren. Der einzige Unterschied ist: Ich bin heute etwas leichter», sagte er. Dass Biden das infrage stellte und Trump mit schiefem Blick musterte, wird ihm mindestens ein Teil der amerikanischen Wählerschaft als herablassendes «fat-shaming» anlasten. Ein weiterer Grund, Biden nicht zu wählen.
Fazit:
Die Debatte ist ein Desaster für Biden und seine Demokraten. Trump hingegen wirkte vor allem zu Beginn konzentriert, gut vorbereitet und kontrolliert. Er sprach geschickt jene «swing voters» an, die das Rennen am 5. November entscheiden werden, indem er etwa schwarze Wählerkreise vor Bidens vermeintlichem Migrations-Debakel warnte. «Er holt Millionen Migranten ins Land, die euch eure Jobs wegnehmen», sagte Trump an die Adresse der schwarzen Amerikaner, um kurz darauf versteckt anzudeuten, dass er sich den schwarzen Senator Tim Scott als Vizepräsidenten vorstellen könnte.
Mitte August treffen sich die Demokraten in Chicago für ihren Parteitag, an dem Biden offiziell zum Kandidaten gekürt werden soll. Die Partei kann an diesem Parteitag allerdings auch jemand anders zum Kandidaten ernennen, losgelöst von den Vorwahlergebnissen. Biden müsste sich dazu allerdings – freiwillig oder auf Druck seiner Partei – zurückziehen.
Darauf läuft alles hinaus: Wenn Joe Biden, der Demokratie-liebende Patriot, die Demokratie in Amerika wirklich retten (oder zumindest vor weiteren unnötigen Stresstests bewahren) will, dann muss er verhindern, dass Donald Trump ins Weisse Haus zurückkehrt. Nach dieser Debatte ist klar, dass es nur einen Weg gibt, auf dem das gelingen kann: Joe Biden muss sich aus dem Rennen nehmen. Sofort.