Militär-Revolte in Russland! Eine Panzer-Kolonne der russischen Söldnertruppe Wagner rollt in Richtung Moskau. Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (62) hat seinem eigenen Heimatland den Krieg erklärt. Auch Kremlchef Wladimir Putin (70) kündigte in einer Ansprache an das russische Volk an: «Unser Land befindet sich im Krieg.»
Marcel Plichta (28) ist Doktorand am Institut für Kriegs- und Strategiestudien an der Universität St. Andrews und ehemaliger Analyst im US-Verteidigungsministerium. Für ihn ist klar: «Was gerade passiert, ist der vorläufige Höhepunkt der letzten Wochen.» Denn eine Eskalation des Konflikts zwischen Prigoschin und Putin – der bereits seit Monaten brodelt – hat sich abgezeichnet.
Prigoschins Pöbeleien haben ihren Höhepunkt erreicht
Immer wieder hat Wagner-Boss Prigoschin dem russischen Verteidigungsministerium – und damit dem Kreml – gedroht, sich beklagt über die Militärführung. Anfang Monat haben seine Truppen sogar einen russischen Soldaten festgenommen. «Der Kreml hat sich immer mehr Sorgen um das Verhalten Prigoschins gemacht», so Plichta im Gespräch mit Blick. «Jetzt mussten sie reagieren.»
Doch woher kommt der Unmut des höchsten Söldners? «Er wollte und will sich nicht dem russischen Verteidigungsministerium unterstellen», erklärt Plichta. «Darum hat er sich zur Wehr gesetzt – in der Hoffnung, dass der Kreml ihm eine Extrawurst anbietet.» Passiert ist das nie so wirklich, Prigoschin hat weiter gepöbelt.
Putin wird geschädigt aus Situation hervorgehen
Bis es in der Nacht auf Samstag zur Eskalation gekommen ist. «Damit hat Prigoschin bestimmt nicht gerechnet», schätzt der Experte die Lage ein. «Er hat es immer wieder herausgefordert – jetzt muss er die Konsequenzen tragen.» Und das könnte für Prigoschin bitter ausgehen.
Schliesslich habe er nur einen Bruchteil der Truppen, die Russland zur Verfügung hat. Und: In Sachen Militärlogistik waren die Wagner-Söldner im Ukraine-Krieg immer von Russlands Verteidigungsministerium abhängig. «Ich glaube nicht, dass Wagner diesen Kampf gewinnen kann.»
Doch auch in der russischen politischen Elite macht sich Unruhe breit. «Der Kreml befindet sich im Panikmodus», schätzt Plichta Putins TV-Ansage an sein Volk ein. «Putin wird sehr geschädigt aus dieser Situation herauskommen. Sein Versprechen, Russland zu schützen, ist nun gebrochen.»
Das britische Verteidigungsministerium bezeichnet die jüngsten Ereignisse gar als «grösste Herausforderung für den russischen Staat in der jüngsten Zeit». Putin selbst sieht in der aktuellen Situation Parallelen zur russischen Februarrevolution 1917, die die Zarenherrschaft beendete.
Ukraine kann von internem Konflikt profitieren
Um sein Land vor den Wagner-Rebellen zu schützen, müsse Putin laut Plichta nun wohl einige Truppen aus der Ukraine abziehen. Zwar wird Russland nicht alle Bemühungen in der Ukraine stoppen, doch: «Das kann der Ukraine dabei helfen, Schwachstellen in der russischen Verteidigungslinie zu erkennen und auszunutzen.»
Bisher hat sich die ukrainische Führung nur begrenzt zu den inneren Machtkämpfen Russlands geäussert. Pflichta: «Wir können davon ausgehen, dass die militärische Führung der Ukraine die Situation genau beobachtet.»