Endlich: Nach anderthalb Monaten steht ein Geisel-Deal zwischen der Terrororganisation Hamas und dem Staat Israel. Wer am meisten davon profitiert, wie es weitergeht und warum es nicht für alle Geiseln ein Happy End geben wird, beantwortet dir Blick.
Was wurde genau vereinbart?
Die beiden Seiten haben sich auf einen viertägigen Waffenstillstand geeinigt. Die Hamas wird 50 Frauen und Kinder freilassen, die im Gazastreifen als Geiseln festgehalten werden. Darunter befinden sich auch mindestens drei Amerikanerinnen. An jedem Tag sollen bis zu 13 Geiseln freikommen. Im Gegenzug sollen 150 palästinensische Frauen und Kinder während des Waffenstillstands aus israelischen Gefängnissen befreit werden. Das teilten die beiden Seiten am Mittwochmorgen mit.
Israel hat auch zugestimmt, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. Dort herrscht nach sieben Wochen unerbittlicher Bombardierung und Blockade eine akute humanitäre Krise. Die Vereinbarung soll auch Besuche des Roten Kreuzes bei den verbleibenden Geiseln und die Verteilung von Medikamenten umfassen.
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Die Vereinbarung wurde von einem hochrangigen US-Beamten bestätigt. Katar, das den Deal vermittelt hatte, teilte mit, dass der Beginn der Feuerpause innerhalb der nächsten 24 Stunden bekannt gegeben werde.
Was ist mit allen anderen Geiseln?
Obwohl der nun zustande gekommene Geisel-Deal ein Meilenstein ist, werden nicht alle Geiseln der Hamas befreit werden können. Noch bis zu 150 Geiseln werden in Gaza bleiben müssen. Ausser, Israel lässt weitere palästinensische Gefangene frei. Etwa 7000 Palästinenser sind in Israel inhaftiert, 559 von ihnen verbüssen lebenslange Haftstrafen wegen Mordes an Israelis. Hinzu kommen etwa 130 Terroristen, die am 7. Oktober in Israel gefasst wurden. Ein Drittel der Gefangenen sind Mitglieder der Hamas.
Wie sieht die Feuerpause genau aus?
Israel wird seine Luftangriffe im Süden des Gazastreifens ganz einstellen. Im Norden wird die Feuerpause auf sechs Stunden pro Tag beschränkt, heisst es seitens der Hamas. Sie bestätigt auch, dass die israelischen Streitkräfte während der Waffenruhe keine Militärfahrzeuge in den Gazastreifen bringen werden.
Wieso kommt die Einigung genau jetzt?
Um erste Abkommen dieser Art nach sechseinhalb Wochen Krieg war lange gerungen worden. Die israelische Regierung ist innenpolitisch unter starken Druck geraten, Fortschritte bei der Rückführung der Geiseln zu erzielen. Die Familien der Geiseln starteten eine Kampagne unter dem Motto «Bringt sie nach Hause» und trafen am Montagabend mit Mitgliedern des israelischen Kriegskabinetts zusammen.
Angesichts der zunehmend verzweifelten humanitären Lage im Gazastreifen wächst auch der internationale Druck auf Israel. Die Bombardierung durch das israelische Militär, gefolgt von der Bodeninvasion, hat zu einer humanitären Krise im Gazastreifen geführt: Lebensmittel, Wasser, Treibstoff und Medikamente sind knapp. 1,7 Millionen von 2,3 Millionen Menschen wurden vertrieben und nur 10 von 36 Krankenhäusern sind in Betrieb.
Wem nützt die Feuerpause am meisten?
Der Deal mit Israel könnte in der Hamas-Führung als Sieg angesehen werden. Denn Hamas-Führer Jahia Sinwar (61) ist derjenige, der die Bedingungen diktiert hat. Gleichzeitig kann sich Katar als erfolgreicher Vermittler in der Gretchenfrage darstellen. Und damit sein internationales Ansehen aufpolieren.
Zudem stellt sich auch die Frage: Wenn es nach der viertägigen Feuerpause wieder zu Kämpfen und vielen weiteren Toten kommt – was bedeutet es dann für die restlichen Geiseln und Gefangenen, die in der nächsten Woche nicht freikommen werden?
Wie geht es nach der viertägigen Feuerpause weiter?
Die Hamas wird wahrscheinlich jede Waffenruhe nutzen wollen, um sich neu zu formieren. Es ist auch möglich, dass sie versuchen könnte, die Waffenruhe zu verlängern, indem sie anbietet, nach und nach weitere Geiseln freizulassen. Diese Option könnte auch Israel gefallen: Die israelische Regierung hat bestätigt, dass die Waffenruhe für jede zehn zusätzlich freigelassenen Geiseln um einen Tag verlängert wird.
Allerdings hat Israel geschworen, die Hamas zu eliminieren. Benjamin Netanyahu (74), Israels Ministerpräsident, erklärte vor dem Kabinett, dass er mit einer Wiederaufnahme der Kämpfe rechne. «Wir werden nach dem Waffenstillstand nicht aufhören», sagte er.