Vor hohem Besuch in Washington
Deswegen sollte Biden Selenski jetzt wieder ausladen

Der ukrainische Präsident weibelt zusehends verzweifelt um Hilfe, am Dienstag live in der amerikanischen Hauptstadt. Wenn US-Präsident Joe Biden ihm wirklich helfen will, muss er ihn sofort wieder ausladen. Eine Analyse.
Publiziert: 12.12.2023 um 08:32 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2023 um 06:15 Uhr
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Im September besuchte Selenski Biden zum letzten Mal in Washington.
Foto: keystone-sda.ch
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

«Unerschütterlich» sei die Verbundenheit der USA mit der Ukraine, liess das Weisse Haus am Wochenende mitteilen. Und doch verursacht der Besuch von Präsident Wolodimir Selenski (45) am Dienstag in Washington jetzt ein politisches Erdbeben im mächtigsten Land der Welt. 

Auf dem Spiel steht nicht nur Kiews Erfolg im Kampf gegen die Russen – ohne das von den Republikanern blockierte nächste Hilfspaket an die Ukraine ist das Land wehrlos gegen Wladimir Putins (71) Schergen. Auf dem Spiel steht auch das politische Überleben von US-Präsident Joe Biden (81). Der macht gerade den riskantesten aussenpolitischen Zug seit seinem Amtsantritt.

Mit der erneuten Einladung von Selenski nach Washington knüpft Biden sein eigenes politisches Schicksal an den militärischen Erfolg Kiews. Scheitert das angeschlagene osteuropäische Land auf dem Schlachtfeld, steht Selenskis oberster Schutzpatron als geopolitischer Versager da.

Republikaner fressen Bidens Köder nicht

71 Milliarden Dollar haben die Amerikaner laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft seit Kriegsbeginn ausgegeben. Knapp 6 Milliarden (in etwa das Jahresbudget der Schweizer Armee) sind noch im Topf, den die USA bis Ende Jahr für die Ukraine ausgeben dürfen. Danach ist definitiv Schluss mit der lebensrettenden Hilfe aus Übersee.

Denn die Republikaner halten bislang eisern an der Blockade weiterer Hilfen fest. Biden versüsste die 61 Milliarden Dollar schwere Munitions- und Waffenkiste für Kiew mit grosszügigen Militärhilfen für Israel und Taiwan. Beides Weltzonen, für die die konservativen Republikaner mehr übrig haben als für die Ukraine. Doch der Köder funktioniert nicht. Donald Trumps (77) Partei fordert massive Investitionen in die Schutzmauer an der mexikanischen Grenze und ein Umpflügen der US-Migrationspolitik. Andernfalls werde man die Ukraine-Hilfe abwürgen.

Selenski persönlich machte vor Kurzem klar, was das Versiegen der amerikanischen Kriegsquelle für sein Land bedeuten würde: «Wenn wir Amerikas Hilfe nicht kriegen, werden wir verlieren», sagte der Präsident beim letzten Besuch in den USA. Die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen (77) unterstrich diese düstere Prophezeiung vergangene Woche und betonte, die USA seien im Falle einer Nicht-Einigung «verantwortlich für die ukrainische Niederlage».

Jeder zweite Amerikaner sagt: Schluss jetzt!

Derweil spitzt sich die Lage an der ukrainischen Front zu. Russland vermeldet fast täglich neue Vorstösse. Die ukrainische Führung gesteht die schwierige Lage ein. Den Kommandanten in Avdiivka, Bachmut und Kreminna fehlt es an frischen Kräften und scharfen Waffen.

Den Amerikanern aber scheint der Krieg im fernen Land zusehends egal. 48 Prozent im Land finden laut einer Umfrage der «Financial Times», die USA lieferten jetzt schon zu viel an Selenski. Auch unter den Demokraten mehren sich die kritischen Stimmen.

Für den kalten Krieger Biden wird Kiew zusehends also zum heissen Eisen. Trump dröhnt aus dem Off, er würde den Krieg zwischen Russland und der Ukraine «in 24 Stunden beenden». Und mehr und mehr Amerikaner finden, man müsse zuerst mal das eigene Land aufmöbeln, bevor man weitere Kanonen in ein Land jenseits des Atlantiks schickt. Bidens Verteidigungsminister Lloyd Austin (70) hingegen warnt, dass Amerika im Falle eines russischen Durchmarsches nach Kiew bald seine Söhne in den Krieg schicken müsste, um die Nato-Ostflanke gegen die Russen zu verteidigen. 

Trump liegt deutlich vorne

Donald Trump liegt in Umfragen derzeit deutlich vor Joe Biden. Die Zeichen deuten ein knappes Jahr vor dem finalen Wahlgang am 5. November 2024 auf eine Rückkehr des 77-jährigen Ex-Präsidenten hin. Gewinnt er, dürfte es vorbei sein mit der US-Hilfe für die Ukraine. Für Biden gibt es deshalb nur einen Weg, die Ukraine nachhaltig zu unterstützen: Er muss die kommenden Wahlen gewinnen. Je stärker er sich jetzt an Selenskis Erfolg auf dem Schlachtfeld bindet, umso schwieriger wird das.

Biden sollte Selenski am Dienstag ausladen und den Republikanern bei ihrer Grenzmauer-Forderung entgegenkommen. Schmerzvolle Schritte. Aber nötig, um dem eiskalten Strategen Putin mittelfristig die Leviten lesen zu können. 

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