Das Coronavirus mutiert weiter. Nun aber bahnt sich eine neue Virusvariante ihren Weg ins Herz von Europa. Ihr Name: BJ.1. Die Besonderheit: die hohe Zahl der Mutationen im Spike-Protein. Der Wiener Molekularbiologe Ulrich Elling schreibt auf Twitter, dass diese Variante einen «neuen Rekord an Mutationen setzt».
Die Variante BJ.1 trat bislang vornehmlich in Indien auf. Zuletzt sind aber auch Infektionen in den USA und Europa – insbesondere in Österreich – registriert worden. In der Schweiz sei diese Variante (Stand 13. September) noch nicht verzeichnet worden, sagt ein Mediensprecher des Bundesamts für Gesundheit (BAG) auf Blick-Anfrage.
Mutationen an «kritische Stellen»
Für Elling ist klar: «Die neu erworbenen Mutationen sind wirklich eine unangenehme Kombination an kritischen Stellen.» Kritisch sind die Stellen, weil sie sich im Spike-Protein befinden. Das Coronavirus nutzt dieses Protein, um in den Zellen des Körpers anzudocken. Verändert sich also deren Beschaffenheit, so kann das dem Virus verhelfen, den Immunschutz der Bevölkerung zu umgehen.
Wenn das Virus also unerkannt eindringen und sich den Antikörpern entziehen kann, könnte es zu einer höheren Ansteckungsfähigkeit führen. Das bestätigt auch Richard Neher, Virenanalyst und Mutationsforscher an der Universität Basel, gegenüber der «Aargauer Zeitung». Neher wendet aber ein, dass gesicherte Aussagen noch nicht möglich seien: Wie stark sich die Variante BJ.1 ausbreiten werde, sei nur wegen der vielen Mutationen noch nicht gesagt. Weitere Faktoren seien ebenfalls entscheidend.
Virus verändert sich schnell
Weil es bislang erst wenig registrierte Fälle gibt, ist noch unklar, ob BJ.1 eine grössere Gefahr birgt. Elling sieht auch die Möglichkeit, dass die vielen Mutationen ein Nachteil für die Variante sein könnten: «Solche Mutationen bedeuten manchmal auch, dass sich das Virus zum Beispiel schlechter an unsere Zellen binden kann. Oder dass es instabiler und dadurch abgeschwächt wird», zitiert der Bayrische Rundfunk den Molekularbiologen. «Der Schutz vor schweren Verläufen ist immer noch gegeben.»
Dennoch besteht die Möglichkeit, dass die Variante BJ.1 – wenn sie den Immunschutz gut umgehen kann – das epidemiologische Geschehen stark beeinflussen kann. «Die Evolution von Sars-CoV-2 ist nach wie vor ausgesprochen schnell und Varianten mit teilweiser Immunflucht werden wohl die nächste Welle dominieren,» sagt Mutationsforscher Richard Neher gegenüber der «Aargauer Zeitung». Dementsprechend sei BJ.1 sicherlich eine Variante, die genau verfolgt werden müsse, «aber nicht die einzige». (bab)