«Viele Menschen sehen hier keine Zukunft»
Weinbauern müssen wegen Überangebot ihre Weinberge roden

Weinbauer auf der ganzen Welt stehen derzeit vor einer immensen Herausforderung. Wegen historisch hohen Lagerbeständen sehen sie sich von ihnen gezwungen, ihre Rebstöcke zu roden.
Publiziert: 09.03.2024 um 19:54 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2024 um 22:59 Uhr
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Weinbauern stehen aktuell keiner einfachen Zukunft gegenüber. Wegen historisch hohen Lagerbeständen sehen sich aktuell viele gezwungen, ihre Rebstöcke zu roden.
Foto: Getty Images

Es klingt seltsam, ist aber tatsächlich wahr: Die Welt schwimmt im Rotwein. Die Situation ist sogar derart akut, dass Winzer begonnen haben, ihre Rebstöcke zu roden, zumal die Überproduktion die Traubenpreise in den Keller getrieben haben und mittlerweile den Lebensunterhalt von unzähligen Weinbauern und Winzern bedroht.

Betroffen sind diese vor allem in Australien, wo eine Mischung aus coronabedingten Kostensteigerungen und chinesischen Exportbeschränkungen das Angebot in die Höhe getrieben und die Preise im Land gedrückt haben. Dies mit bösen Konsequenzen: «Es gibt viele Menschen, die keine Zukunft in der Weinindustrie sehen», sagt Lyndall Rowe, der Vorsitzende von Riverland Wine, einer Branchengruppe, die Winzerinnen und Winzer vertritt, gegenüber Bloomberg. 

Nachfrage sinkt noch schneller als Produktion

Ebenfalls mit der Problematik eines Überangebots konfrontiert seien Länder wie die USA, Spanien oder die Wein-Nation Frankreich. Kurios ist hierbei jedoch, dass obwohl die weltweite Produktion im vergangenen Jahr einen 60-Jahres-Tiefstand erreichte, die Nachfrage nach Wein derzeit noch schneller sinkt.

Auch Australien hat in den Jahren 2022 und 2023 so wenig Wein wie seit 15 Jahren nicht mehr produziert. Jedoch kämpft das Land weiterhin mit historisch hohen Lagerbeständen, wie die Branchengruppe Wine Australia im vergangenen November schrieb.

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs seien zudem die Kosten für Betriebsmittel wie Treibstoff und Düngemittel gestiegen. Auch die Versicherungsprämien seien in Zusammenhang mit dem Klimawandel angehoben worden. «Die jüngsten drastischen Steigerungen der Inputkosten haben das sehr empfindliche Wirtschaftsmodell des Weins destabilisiert, sagt Richard Halstead, COO beim Forschungsunternehmen für alkoholische Getränke IWSR gegenüber Bloomberg. 

Boom bei alkoholfreien Getränken

Einen Einfluss darauf dürften auch die veränderten Trinkgewohnheiten von Menschen haben, von denen der Rotwein am stärksten betroffen sei. Gemäss Christophe Chateau, dem Sprecher des Bordeaux Wine Council, würden Menschen heute öfters zu Schaum-, Rosé- oder Weissweinen mit geringerem Alkoholgehalt greifen als zu Rotwein. Auch die Generation Z konsumiere weniger Alkohol, was einen Boom bei alkoholfreien Getränken ausgelöst habe.

Aus Spanien wird Ähnliches berichtet. Während sich auch hier immer weniger Menschen Rotwein einschenken, ist die Nachfrage nach Weisswein nach wie vor hoch. «Die Landwirte werden in ein bis zwei Jahren Probleme bekommen, weil man Rotwein nicht in Weisswein umwandeln kann», sagt José Luis Benítez, Generaldirektor des spanischen Weinverbandes. 

Um Weinbauern in dieser Situation nicht einfach sich selbst zu überlassen, hat die französische Regierung beschlossen, 200 Millionen Euro lockerzumachen, um ihnen beim Abreissen ihrer Weinberge zu helfen und ihren Wein in Ethanol umzuwandeln. 

Viele Winzer noch in der Tradition verwurzelt

Nochmals 150 Millionen Euro obendrauf gab es, nachdem sich Winzer aus Bordeaux den Protesten der französischen Landwirte anschlossen, um gegen die Abschaffung der EU-Kraftstoffsubventionen zu demonstrieren. Mit dem Millionenbetrag sollen Winzer bei der Entwurzelung von Rebstöcken und beim Anbau von Alternativkulturen unterstützt werden.

Gerade bei Letzterem sind jedoch Zweifel angebracht, ob das so schnell bewerkstelligt werden kann. Denn: Laut Richard Halstead seien Anpassungen für einen Wirtschaftszweig wie den Weinbau besonders schwer zu bewerkstelligen. Viele Winzer würden seit Generationen gleich arbeiten und seien stark in der Tradition verwurzelt.

Etwas drastischer bringt es der australische Weinbauer James Cremasco gegenüber CNN auf den Punkt. «Es wird keine nächste Generation von Familienweinbauern geben. Es werden alles grosse Unternehmen sein und alle jungen Leute aus der Gegend werden für sie arbeiten.» (ced)

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