Angesichts eines deutlichen Anstiegs antisemitischer Vorfälle in ganz Frankreich haben Zehntausende Menschen am Sonntag in Paris an einer Grosskundgebung gegen Antisemitismus teilgenommen. Hinter einem grossen Banner mit dem Motto «Für die Republik, gegen den Antisemitismus» setzte sich der «Grosse Marsch» am Nachmittag vor der Nationalversammlung in Bewegung. An ihm beteiligte sich auch die Rechtspopulistin Marine Le Pen (59), nicht aber die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI).
An der Spitze des Demonstrationszugs liefen Premierministerin Elisabeth Borne (62), die ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy (68) und François Hollande (69), der Präsident der jüdischen Dachorganisation Crif, Yonathan Arfi (43), sowie die beiden Vorsitzenden von Nationalversammlung und Senat, Yaël Braun-Pivet (52) und Gérard Larcher (74), auf deren Initiative der «grosse Bürgermarsch» zurückging.
In den vorderen Reihen waren auch mehrere ehemalige Premierminister, Religionsvertreter sowie zahlreiche Minister vertreten. Präsident Emmanuel Macron (45) nahm an der Pariser Kundgebung nicht teil, versicherte aber im Vorfeld, «in Gedanken» dabei zu sein.
Sorge vor Gewalt ist gross
Seit Beginn des Krieges zwischen der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen und Israel haben die französischen Behörden fast 1250 antisemitische Straftaten registriert, darunter neben Pöbeleien und Schmierereien auch Gewalttaten. Da in Frankreich sowohl die grösste jüdische als auch die grösste muslimische Gemeinde Europas lebt, ist die Sorge gross, dass die Gewalt in Nahost auf das Land übergreift.
Mehr als 3000 Polizistinnen und Polizisten sollten nach Angaben von Innenminister Gérald Darmanin (41) allein in Paris für Sicherheit sorgen. Weitere Kundgebungen waren in mehreren Städten und Gemeinden des Landes geplant.
In einem am Samstagabend von der Zeitung «Le Parisien» veröffentlichten Brief an die Franzosen verurteilte Macron das «unerträgliche Wiederaufleben eines ungezügelten Antisemitismus». «Ein Frankreich, in dem unsere jüdischen Mitbürger Angst haben, ist nicht Frankreich», schrieb Macron.
«Ein Frankreich, in dem Franzosen aufgrund ihrer Religion oder Herkunft Angst haben, ist nicht Frankreich.» Der Marsch gegen Antisemitismus in Paris solle zeigen, dass Frankreich geeint «hinter seinen Werten und seinem Universalismus» stehe, erklärte er.
Partnerschaft mit Unesco
Bereits im Vorfeld war die Grosskundgebung zu einem Politikum geworden. Dafür sorgte der Boykott der linskpopulistischen LFI sowie der Aufruf Le Pens an ihre Anhänger, sich an dem «Grossen Marsch» zu beteiligen.
Vor Beginn des Marschs schrieb Premierministerin Borne auf X, die Abwesenheit der Linken spreche «für sich selbst». Doch auch die Präsenz von Marine Le Pen und ihrer Partei Rassemblement National «täuscht niemanden», fügte sie mit Blick auf die antisemitische Vergangenheit der Partei hinzu. Mitglieder der linksgerichteten Organisation Golem wurden unterdessen von der Polizei daran gehindert, Le Pens Teilnahme an der Kundgebung zu blockieren.
Im Kampf gegen die zunehmenden antisemitischen Vorfälle auch in den Schulen und Universitäten verkündete die französische Regierung unterdessen eine Partnerschaft mit der Uno-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco). Diese solle Pädagogen mit konkreten Ratschlägen dabei helfen, «Antisemitismus und andere Formen von Hass in der Schule zu verhindern und zu bekämpfen», erklärte das französische Aussenministerium am Sonntag. In einem ersten Schritt stellt Frankreich demnach 600'000 Euro dafür zur Verfügung. (AFP)