Nikki Haley im Portrait
Im Januar zeigt sich, wie gefährlich diese Frau Donald Trump werden könnte

Nikki Haley gilt als Hoffnungsträgerin der moderaten Republikaner. Sie ist klug und besonnen, legt in den Umfragen mächtig zu und hat Chancen, die erste US-Präsidentin zu werden – aber nur, falls Donald Trump einbricht. Ein Porträt.
Publiziert: 10.12.2023 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2023 um 15:21 Uhr
Nikki Haley ist bei den Republikanern die einzige Frau, die sich um das Amt des US-Präsidenten bewirbt.
Foto: keystone-sda.ch
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Peter HossliReporter & Leiter Journalistenschule

Das neunjährige Mädchen wollte es genau wissen. «Warum, Frau Haley, sollten Sie Präsidentin sein?», fragte Hannah an einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire. «Ich bin eine Mutter», antwortete die republikanische Präsidentschaftskandidatin Nikki Haley (51). «Meine Kinder sollen nicht so aufwachsen.» Sie betonte das Wort «so» – und meinte die Unruhe, die seit Jahren Amerika präge.

Zu viel Chaos richten aus Haleys Sicht zwei Männer an: US-Präsident Joe Biden (81) und sein Vorgänger Donald Trump (77). Den ersten will sie aus dem Weissen Haus verdrängen, den zweiten daran hindern, dorthin zurückzukehren.

Auf beide zielt Haley in ihrem neuen Werbespot, der in Iowa und New Hampshire läuft, in den beiden US-Staaten, wo im Januar die ersten Vorwahlen stattfinden. Sie werde «das Chaos auf unseren Strassen und an den Universitäten» stoppen, «das Chaos der Vergangenheit» überwinden. Sie meint gewalttätige anti-israelische Kundgebungen, für die Biden verantwortlich sei. Und das ständige Durcheinander, das Trump umgebe.

Eine Frau ohne Drama will sie sein, eine Person der Vernunft. Die Strategie kommt an. Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina liegt unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten laut Umfragen an zweiter Stelle. Zwar deutlich hinter Spitzenreiter Trump, aber klar vor Floridas Gouverneur Ron DeSantis (45).

Haley holt auf, und das haben einflussreiche konservative Gruppen bemerkt. Von ihnen erhält die Tochter indischer Einwanderer viel Geld und mehr Zuspruch. Banker an der Wall Street empfehlen sie zur Wahl. Für ihre Auftritte muss sie grössere Hallen mieten. Bei den Fernsehdebatten führt sie ihre republikanischen Gegner vor, weil sie klüger, angriffiger und eloquenter auftritt.

New Hampshire als einzige Chance

Wohl deshalb diskutieren die Experten der Newssender allabendlich ihre Chancen. Dabei hat sie nur eine und die heisst New Hampshire. Sie muss am 23. Januar die Vorwahlen im kleinen US-Bundesstaat gewinnen oder zumindest nur knapp hinter Trump Zweite werden. Gelingt ihr das nicht, scheidet sie aus.

Ihre Aussichten sind intakt. Die Republikaner in New Hampshire gelten als gemässigt. Parteilose dürfen dort wählen. Haleys Wahlkampfkasse ist voll. Sie hat genügend Reserven, um bis zum «Super Tuesday» dabei zu bleiben, bis am 5. März, wenn über ein Dutzend Staaten gleichzeitig wählen. «Noch ein Kerl liegt vor uns», sagte Haley unlängst. Sie meinte Trump, gegen den sie sich bewusst positioniert: als moderate Politikerin, die ihre Partei vom konservativen Populismus wegführen möchte.

Sie distanziert sich von jenem Mann, der sie einst auf die grosse politische Bühne führte. Trump holte Haley 2017 nach New York und machte sie zur Botschafterin an der Uno. Haley verdankte es ihm und überzeugte auf dem internationalen Parkett.

Zum Christentum konvertiert

Zu Beginn der 1970er-Jahre wanderten ihre Eltern aus Indien in den US-Bundesstaat South Carolina ein. Ihr Vater war Professor für Biologie, die Mutter gründete ein Modeunternehmen; bereits mit 13 Jahren führte Nikki dort die Buchhaltung. Sie studierte Rechnungswesen und blieb im Modegeschäft tätig. An der Uni lernte sie Michael Haley kennen. Die beiden heirateten in einem Sikh-Tempel und einer Kirche. Später konvertierte sie zum Christentum. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder.

Oft spricht sie über ihre Herkunft. «Ich bin die stolze Tochter indischer Einwanderer», sagte sie 2020 am Parteitag der Republikaner. Ihr Vater habe einen Turban getragen, ihre Mutter einen Sari. «Ich war ein braunes Mädchen in einer schwarzen und weissen Welt.» Was manchmal schmerzhaft war. «Wir wurden diskriminiert und hatten mit Schwierigkeiten zu kämpfen, aber meine Eltern haben sich nie von Missgunst und Hass leiten lassen.»

Frauen wie die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher (1925 – 2013) und Senatorin Hillary Clinton (76) inspirierten sie, in die Politik zu gehen. Nikki Haley durchlief die Ochsentour, begann im Parlament von South Carolina, schaffte zweimal – 2010 und 2014 – die Wahl zur Gouverneurin ihres Heimatstaats.

Wankelmütig

Politisch beschreibt sich die Republikanerin als «pragmatische Konservative» – was Kritiker zuweilen als wankelmütig verulken. Sie sei ein «flip-flopper», ein Wendehals, der je nach aktueller Stimmung mal das sage, dann was anderes. Etwa bei Trump. Der habe «jegliche politische Berechtigung verloren», sagte Haley nach dem Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021. Bald darauf ruderte sie zurück. Ihre Partei brauche Trump. Deshalb habe sie keinerlei Ambitionen auf das Weisse Haus – und kandidierte dann doch.

Als Uno-Botschafterin kritisierte sie China, als Gouverneurin half sie chinesischen Unternehmen, sich in South Carolina niederzulassen. Sie kanzelte Trumps Einreiseverbot für Muslime als «absolut unamerikanisch» ab. An der Uno verteidigte sie seine Verordnung, Flüchtlinge aus sechs islamischen Ländern nicht in die USA zu lassen.

Aussenpolitisch hat sie sich mittlerweile klar positioniert. Für Israel, für Taiwan, für die Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin (71) bezeichnet sie als «Mörder». Unter Präsidentin Haley würden die USA in der Welt wohl wieder mehr Verantwortung nehmen – eine Abkehr von Trumps Isolationismus.

Das kommt zwar bei moderaten Republikanern an, manche Demokraten mögen Haley mehr als Präsident Biden. Und das ist ihr Problem. Haleys Partei ist konservativ und populistisch. Sie aber spricht vor allem jene Republikaner an, die Trump nicht mögen. Es sind nicht genug, um Haley zur republikanischen Kandidatin zu küren. Ihr Rückstand auf Trump? Laut Umfragen 50 Prozent.

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