Nach der historischen Verurteilung
Noch drei Prozesse, aber Trump hat einen Joker

Donald Trump wurde im Schweigegeld-Prozess schuldig gesprochen. Seine Wahlchancen stehen immer noch gut. Doch auch als amtierender Präsident ist er nicht sicher vor der US-Justiz. Was mit seinen drei weiteren Anklagen passiert. Eine Analyse.
Publiziert: 31.05.2024 um 16:25 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2024 um 09:01 Uhr
Donald Trump wurde im ersten von vier Gerichtsfällen verurteilt. Was aber passiert, wenn ein amtierender US-Präsident vor Gericht antraben muss?
Foto: AFP
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Der erste ehemalige US-Präsident, der sich vor Gericht verantworten musste, ist nun der erste ehemalige US-Präsident, der wegen eines Verbrechens verurteilt wurde. Ein Normalsterblicher erhebt sich nicht aus diesem politischen Grab. Aber Donald Trump (77)? Donald Trump könnte tatsächlich der erste gerichtlich verurteilte US-Präsident werden. Gleichzeitig könnte er auch der erste US-Präsident werden, der während seiner Amtszeit nochmals vor Gericht antraben muss.

Trump muss drei weitere Prozesse bestreiten

Der 30. Mai 2024 wird in die Geschichte eingehen. Trump ist im Prozess um die Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels (45) schuldig gesprochen worden – in allen 34 Anklagepunkten. Trotzdem darf er an den US-Wahlen teilnehmen. Allerdings könnte sein Vorsprung gegenüber Demokrat Joe Biden (81) noch dünner werden.

Eine ABC/Ipsos-Umfrage aus diesem Monat ergab, dass 80 % der Anhänger Trumps trotzdem für ihn stimmen würden, wenn er in diesem Fall wegen eines Verbrechens verurteilt würde. Allerdings würden 16 Prozent ihre Unterstützung noch einmal überdenken, und 4 Prozent würden sie zurückziehen.

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Donald Trump wurde in allen 34 Anklagepunkten im Schweigegeld-Prozess schuldig gesprochen.
Foto: AFP

Was aber nicht vergessen gehen darf: Trump muss sich noch in drei weiteren Gerichtsfällen verantworten. Einmal in Florida: 40 Vergehen rund um das unsachgemässe Verwalten sensibler Regierungsdokumente und Behinderung der Justizermittlungen. Einmal in Washington D.C.: Wegen der angeblichen Sabotage beim Machtwechsel nach der Präsidentschaftswahl 2020 und dem Angriff auf das Kapitol vom 6. Januar 2021. Schliesslich das Drama in Georgia: Eine Grand Jury hat Trump und 18 Verbündete wegen eines vermeintlichen Komplotts zur Anfechtung der Wahl 2020 angeklagt. In allen drei Fällen plädiert Trump auf nicht schuldig.

Alle drei Verfahren kommen nur langsam voran. Trump versucht, alle Prozesse bis nach den Präsidentschaftswahlen im November hinauszuzögern. Was also, wenn er gewählt wird und diese Verfahren noch laufen? Amerika betritt juristisches Neuland. Noch nie musste ein amtierender US-Präsident vor Gericht antraben.

Trump hat einen Joker

In den beiden Bundesverfahren – also der Aktenveruntreuung und dem Angriff auf das Kapitol im Januar 2021 – würde ein von Trump ernannter Generalstaatsanwalt die Anklagen höchstwahrscheinlich zurückziehen, schreibt die «New York Times». Heisst also: Trump könnte möglichst bald nach seiner Wahl einen neuen Generalstaatsanwalt ernennen und hoffen, dass die republikanische Partei die Mehrheit im US-Senat erlangt. Denn der Senat muss die Wahl des Generalstaatsanwalts bestätigen.

Das Verfahren in Georgia findet hingegen auf der Ebene des Bundesstaats statt. Die Verhandlung in diesem Fall sollte am 20. Mai beginnen, wurde aber von der US-Bezirksrichterin Aileen Cannon, die das Verfahren leitet, auf unbestimmte Zeit verschoben. Cannon, die von Trump auf den Richterstuhl berufen wurde, begründete die Verschiebung des Prozesses mit Anträgen im Vorfeld des Verfahrens, der Verwendung von als geheim eingestuften Beweismitteln und anderen Vorbereitungen im Vorfeld des Prozesses und des Verfahrens.

Im Schweigegeldprozess hat Trumps Team bereits am Donnerstag Berufung angekündigt. Die Hoffnung: Dass sich auch hier der Prozess bis nach den Wahlen im November weiterzieht. Denn: Laut Saikrishna Prakash, Rechtsprofessor an der Virginia-Universität, kann ein amtierender Präsident eingebuchtet werden. «Niemand steht über dem Gesetz», schreibt er im «Texas Law Review».

Amerika betritt juristisches Neuland

Es gab bisher jedoch noch nie einen Grund, eine Strategie zu entwickeln, wie mit einem neuen Präsidenten zu verfahren ist, der bereits angeklagt wurde. Man hat lediglich entschieden, warum amtierende Präsidenten nicht angeklagt werden – weil dies ihre Fähigkeit zur Ausübung ihres Amtes beeinträchtigen würde. Vielleicht könnte Trump diesen Joker irgendwie für sich beanspruchen.

Doch hier endet das rechtlich bekannte Terrain. Wie so vieles in diesem Fall wäre dies rechtlich ungeprüft, und es ist unmöglich zu sagen, was der Oberste Gerichtshof tun würde, wenn die Frage ihn erreichen würde. Was mit dem Fall Georgia geschehen würde, einem staatlichen Strafverfahren ausserhalb der Reichweite eines von Trump geführten Justizministeriums, ist eine noch schwierigere Frage – eine, für die das Land bisher noch keinen Grund hatte, einen genauen Ablauf zu definieren.

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