Wladimir Putin (71) hat dem umstrittenen US-Journalisten Tucker Carlson (54) ein Interview gegeben. Carlson war dafür nach Russland gereist und wurde vom russischen Präsidenten in Moskau empfangen. Der Ex-Quotenkönig von Fox News ist damit der erste westliche Journalist, der seit Russlands Einmarsch in die Ukraine mit Putin ein Interview führen durfte.
Der Kreml-Chef sprach über zwei Stunden mit Tucker Carlson über verschiedene Themen. Er spricht im Interview über den Krieg, über die Nato, über die Nordstream-Pipelines und über Selenski – hier dazu eine vertiefte Analyse.
Was ihn dazu getrieben habe, den Krieg zu beginnen, fragt Tucker Carlson Putin. Dieser antwortete, dass der Euromaidan im Jahr 2014 den «Konflikt» verursacht habe. Ausserdem sei die CIA darin involviert gewesen. Putin sagt zynisch: «Wir hätten gar nicht daran gedacht, einen Finger zu rühren, wenn die blutigen Entwicklungen im Maidan nicht gewesen wären.»
Der Westen versuche nun, Russland auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage zuzufügen. Putin sagt: «Aber jetzt wird ihnen offenbar klar, dass das schwierig zu erreichen ist. Meiner Meinung nach ist es unmöglich.»
«Vielleicht» wäre Nato-Beitritt passiert
Putin behauptet, dass er den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton (77) gefragt habe, ob es möglich für Russland sei, der Nato beizutreten. Dieser habe damals abgelehnt. Er habe gesagt: «Das ist jetzt unmöglich.» Von Carlson gefragt, ob Russland danach wirklich der Nato beigetreten wäre, antwortet Putin: «Wenn er ja gesagt hätte, wäre der Prozess der Annäherung in Gang gesetzt worden. Und vielleicht wäre es passiert.»
Die Nordstream-Pipelines seien von den Amerikanern gesprengt worden. «Die CIA hat kein Alibi», sagt Putin. Er werde aber nicht in Details gehen, als er von Carlson nach Beweisen dafür gefragt wird.
Auf die Frage, ob Moskau erwäge, in andere Länder in der Region, wie zum Beispiel Polen oder Lettland – oder generell in ein anderes europäisches Land einzumarschieren, sagte Putin, dies stehe «ausser Frage».
«Wir haben kein Interesse an Polen, Lettland oder anderswo. Warum sollten wir das tun? Wir haben einfach kein Interesse. Es ist nur Stimmungsmache», sagte Putin. «Zu einem Krieg mit Polen kann es nur in einem Fall kommen: wenn Polen Russland angreift.»
Nähe zu Donald Trump
Am Dienstag hatte Carlson in einem auf X veröffentlichten Video erklärt, er sei in Moskau, «um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu interviewen». Es sei seine Aufgabe als Journalist, die Öffentlichkeit zu informieren. Die meisten US-Bürger wüssten nicht, was in Russland und in der Ukraine vorgehe. «Aber sie sollten es wissen, schliesslich zahlen sie viel Geld dafür.»
Carlson war jahrelang das bekannteste Aushängeschild von Fox News. Mit seinen umstrittenen Positionen und inhaltlicher Nähe zum damaligen Präsidenten Donald Trump (77) sorgte er regelmässig für Aufsehen und sicherte sich eine grosse Gefolgschaft. Im vergangenen April wurde Carlson von Fox News entlassen. Seither veröffentlicht er seine Interviews auf X und auf seiner eigenen Streaming-Plattform, dem Tucker Carlson Network. Die Videos werden millionenfach angeschaut.
Kontroverse um Interviewanfragen
Der Kreml bestätigte die Interviewpläne und erklärte, zuvor bereits Anfragen anderer westlicher Medien erhalten zu haben. Carlson hatte den westlichen Medien vorgeworfen, sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine nie um ein Interview mit Putin bemüht zu haben. Dem widersprachen zahlreiche Medienschaffende.
Christiane Amanpour vom US-Fernsehsender CNN sagte, Carlsons Äusserung sei absurd. «Glaubt Tucker wirklich, dass wir Journalisten nicht jeden Tag seit dem Beginn seiner Invasion in der Ukraine versucht haben, Putin zu interviewen?» Man werde weiterhin um ein Interview bitten, «wie wir es seit Jahren tun». Auch BBC-Korrespondent Steve Rosenberg erklärte, er habe «mehrere Anfragen» geschickt, Putin habe jedoch immer abgelehnt. (noo/neo)