Mit dem Urteil vom Dienstag kämpft mit Donald Trump (76) nicht nur ein ehemaliger US-Präsident, sondern auch ein Sextäter um die Position als mächtigster Mann Amerikas.
Ein Geschworenengericht in New York befand, dass Trump die Schriftstellerin E. Jean Carroll (79) in den 1990er-Jahren sexuell missbraucht und sie anschliessend verleumdet hat. Carroll würden jetzt rund fünf Millionen Dollar Schadenersatz zustehen, Trump zieht das Urteil aber weiter.
Wichtiges Urteil – unwichtig für die USA
Es ist ein wichtiger Sieg – nicht nur für Carroll, sondern für all diejenigen, die jemals von einem Mächtigeren belästigt oder missbraucht wurden. Ein Sieg über einen Mann, der Frauen nach eigenen Aussagen nach Lust und Laune sexuell belästigt – und trotzdem US-Präsident geworden ist. Bis dato musste Trump keine Konsequenzen befürchten. Mit diesem Urteil hat sich das geändert.
Die Verfahren gegen Donald Trump
Während es für ihn wohl überraschend gekommen ist, reagiert die US-Öffentlichkeit mit gelangweiltem Schulterzucken. Weder demokratische noch republikanische Politiker forderten Trump dazu auf, aus dem Rennen um die Vorwahlen auszusteigen. Auch in den US-Medien war der Aufschrei gering.
Trump ist Biden weiterhin um Längen voraus
Trumps schmutzige Vergangenheit – und Gegenwart – scheint viele Amerikaner kaltzulassen: Laut einer Umfrage von «Washington Post» und «ABC News» liegt er sieben Prozentpunkte vor dem aktuellen Präsidenten Joe Biden (80).
Und das trotz zweier Amtsenthebungsverfahren und einem laufenden Prozess. Noch viel erstaunlicher: 18 Prozent der Befragten, die der Meinung sind, Trump sollte verhaftet werden, würden ihn immer noch dem derzeitigen Präsidenten vorziehen.
Das zivilrechtliche Urteil wird wohl keine Auswirkungen auf die unerschütterliche Unterstützung seiner Anhängerschaft haben. Denn sie sehen seine juristischen Probleme als Teil eines abgekarteten Spiels seiner Gegner, um ihn zu schwächen. Und je mehr Konsequenzen Trumps Taten haben, desto bedingungsloser schwören ihm seine Anhänger ihre Unterstützung. Die Nachrichtenplattform Axios titelte am Dienstag treffend: «Trumps seltsame Wunderwaffe: schlechte Nachrichten.»
Eine typische Reaktion kam von Senator Bill Hagerty (63) aus Tennessee auf Fox News: «Wir haben die Entwicklung dieses juristischen Zirkus in Manhattan beobachtet. Dies ist nur der jüngste Akt in diesem Zirkus. Das geht schon seit Jahren so.»
Trump selbst schrieb auf seiner Plattform Truth Social: «Dieses Urteil ist eine Schande – eine Fortsetzung der grössten Hexenjagd aller Zeiten!» Wenig später verschickte er E-Mails, in denen er seine Unterstützer dazu aufforderte, ihm jetzt dringend mehr Geld für den Wahlkampf zu überweisen.
Bislang sieht es nicht so aus, als ob Trump sich seine Zukunft im Weissen Haus nur wegen seiner Vergangenheit verbaut. Nach wie vor ist ihm alles zuzutrauen – und der Wahlkampf dürfte schmutzig werden.