Offenbar führen die russischen Streitkräfte in der Nacht auf Sonntag schwere Angriffe auf die ukrainische Kultur- und Hafenstadt Odessa durch. Die Luftschläge als Rache für Angriffe der Ukraine auf die Krim.
Russische und ukrainische Onlinekanäle berichten von heftigen Explosionen in Odessa – einige davon im Zentrum der Millionenstadt, die rund 300 Kilometer westlich der Halbinsel Krim liegt und bislang weitgehend vom Kriegsgeschehen verschont blieb. Auf Bildern in den sozialen Medien war auch die teilweise zerstörte Verklärungskathedrale zu sehen. Im Inneren loderten die Flammen meterhoch. Den Behörden zufolge wurden zudem Hafeninfrastruktur und sechs Wohngebäude beschädigt.
Kreml-Blogger geben ukrainischer Luftabwehr die Schuld
Militärbloggern zufolge setzten die Russen «mindestens vier Tu-22M3-Überschallbomber» ein. Dies meldet der russische Kriegsblogger Wladimir Rogow auf seinem Telegram-Kanal. Bei den Attacken seien Anti-Schiffs-Onyx-Überschallraketen sowie Kalibr-Marschflugkörper abgefeuert worden.
Rogow sprach von Angriffen auf Militäreinrichtungen und Munitionsdepots. Als Bilder von der brennenden Kathedrale im Netz aufgetaucht waren, hatte der kreml-loyale Blogger prompt eine Erklärung parat: Das ukrainische Luftabwehrsystem sei schuld. «Mindestens zwei Flugabwehrraketen sind in Odessa niedergegangen. Die erste Rakete beschädigte das orthodoxe Symbol der russischen Odessa – die Verklärungskathedrale. Die zweite schlug in einem Wohnhaus ein. Es besteht kein Zweifel, dass die Arbeit der Luftabwehrraketen die grösste Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellt», behauptet der Blogger.
Laut dem ukrainischen Militär setzten die Russen fünf verschiedene Typen von Raketen und Marschflugkörpern ein. Immerhin hätten die meisten Geschosse von der Luftverteidigung abgewehrt werden können, hiess es. Der Sekretär des Nationalen ukrainischen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, erklärte, Russland wolle durch Einschüchterung die internationalen Bemühungen zur möglichen Wiederaufnahme des Getreide-Abkommens sabotieren.
Bei den Angriffen wurden Behörden zufolge 19 Menschen verletzt, eine Person ist gestorben.
Unesco-Weltkulturerbe zerstört
Odessa behauptete sich bislang auch während des Kriegs als gut besuchte Feriendestination im Sommer. Jetzt herrscht Angst in der historischen Kulturhauptstadt der Ukraine.
Bei russischen Luftschlägen in der Vornacht waren auch das chinesische Konsulat sowie das historische Zentrum der Küstenstadt beschädigt worden. Die Uno-Weltkulturbehörde Unesco verurteilte die Zerstörung von Weltkulturerbe aufs Schärfste.
Nach Angriffen vor zwei Wochen, die historisches Kulturerbe in der westukrainischen Stadt Lwiw zerstört hätten, sei dies die zweite Zerstörung von Unesco-geschütztem Welterbe durch russische Raketen. «Unesco drückt den Menschen in Odessa ihre Unterstützung aus», so die Erklärung, «und spricht den Familien der Opfer ihr aufrichtiges Beileid aus.»
Wolodimir Selenski hat Vergeltung angekündigt. «Raketen gegen friedliche Städte, gegen Wohngebäude, gegen eine Kathedrale... Es kann keine Entschuldigung für das russische Böse geben», schrieb er am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal. «Wie immer wird auch dieses Böse verlieren. Und es wird für Odessa definitiv eine Vergeltung gegen die russischen Terroristen geben.» (kes/man)