Und Schuld hat Joe Biden, wie Historiker Niall Ferguson erklärt
«Putin hat Zeit gewonnen, seine Strategie zu ändern»

Auch nach fünf Monaten tobt der Ukraine-Krieg weiter. Für den britischen Historiker Niall Ferguson ist klar, dass ein Ende noch in weiter Ferne liegt. Allgemein sei es momentan der Westen, der ins Hintertreffen geraten ist.
Publiziert: 27.07.2022 um 18:28 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2022 um 13:15 Uhr
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Schon seit fünf Monaten wird in der Ukraine gekämpft. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Foto: IMAGO/NurPhoto

Als Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte und den Westen damit vor vollendete Tatsachen stellte, prognostizierten die meisten politischen Beobachter, dass die Ukraine innert weniger Tage erobert sein würde. Doch es kam anders. Mittlerweile bereits im fünften Monat gehen die Kriegsaktivitäten unvermindert weiter.

Die Frage, die sich deshalb alle stellen, ist: Wie lange dauert dieser Krieg noch? Für den britischen Historiker Niall Ferguson (58) ist klar, dass ein Ende aktuell in weiter Ferne liegt.

«Der Krieg ist umso schwieriger zu beenden, je länger er dauert. Und es wird von Woche zu Woche schwieriger», sagt er in einem Interview mit der «Welt». Denn: Die Zeit arbeite zu Putins Gunsten.

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«Putin hat Zeit gewonnen»

Dabei sah es gerade zu Beginn für den Kreml-Chef und seine Truppen nicht so gut aus. Der Konvoi kam ins Stocken, Fahrzeuge blieben im Schlamm stecken und die Verluste waren hoch. Doch nun sind die Russen auf dem Vormarsch und haben Teile des Ostens erobern können.

«Putin hat Zeit gewonnen, seine Strategie zu ändern, und statt Kiew zu erobern und die ganze Ukraine zu besetzen, hat er sich auf den Donbass konzentriert», so Ferguson. Ein geschickter Schachzug von Putin, denn mittlerweile scheint die Eroberung des gesamten Donbass und des Südostens der Ukraine immer wahrscheinlicher.

Dagegen könnten laut Ferguson auch die Waffenlieferungen aus dem Westen, allen voran den USA, nicht viel ausrichten. «Putin weiss, dass die westliche Einigkeit zur Verteidigung der Ukraine ein Verfallsdatum hat.» Erstaunlich ist allerdings, dass Russland trotz einer rekordverdächtigen Anzahl an Sanktionen nahezu nicht darunter leidet.

«Joe Biden hat nichts getan, um den Krieg zu beenden»

Für den Experten ist auch klar, warum. «Solange Russland Öl und Gas verkaufen kann, wird der Rubel stark bleiben und Russland wird überleben.» Auch würden die Sanktionen Putin kaum dazu bringen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Davon ist der Schotte überzeugt.

Dass die Russen überhaupt Zeit hatten, ihre Strategie zu ändern, daran sei zu einem grossen Teil US-Präsident Joe Biden (79) schuld. «Die Regierung von Joe Biden hat nichts getan, um diesen Krieg frühzeitig zu beenden.» Die USA hätten es seiner Meinung nach verpasst, den Krieg zu beenden, als es Russland schlecht und der Ukraine gut ging.

«Joe Biden hingegen flog nach Warschau, nannte Putin einen Kriegsverbrecher und rief zu seinem Sturz auf», so Ferguson. Gebracht habe das alles nichts. Allerdings sehe man jetzt, dass die russische Lebensmittelblockade im Westen zu einer hohen Inflation geführt hat. Für die Menschen werden die alltäglichen Dinge wie Lebensmittel plötzlich teurer. Sehr zum Nachteil der Ukraine. «Im Herbst wird die Entschlossenheit des Westens, den Krieg zu unterstützen, nachlassen», sagt Ferguson.

Wäre mit Trump alles anders gekommen?

Spannend sei, so Ferguson, auch die Frage, wie der Krieg verlaufen wäre, wenn Donald Trump (76) als US-Präsident das Sagen gehabt hätte. Kein Wunder: Der Brite gilt als rechtskonservativ. Und hat sich schon in der Vergangenheit sehr positiv über Trump geäussert. Dementsprechend hart fällt sein Urteil gegenüber Biden aus.

«Bekannt ist, dass Joe Biden in den vergangenen Jahren die militärische Unterstützung für die Ukraine eingestellt hat. Er hat die Sanktionen gegen die russische Gaspipeline Nordstream 2 aufgehoben und sich aus Afghanistan zurückgezogen. Zudem sagte er Putin, dass dieser im Falle eines Angriffs nur mit Sanktionen rechnen müsse», fasst Ferguson zusammen. «Das Ausmass der Inkompetenz seiner Regierung ist erschreckend».

Trump habe dem Bündnis zwischen den USA, Europa und der Nato weit weniger geschadet, als es aktuell Biden tue. «Als Trump gewählt wurde, befürchtete jeder, dass er die Nato abschaffen würde. Hat er das getan? Nein.» Der Ex-Präsident habe lediglich die Nato-Länder, insbesondere Deutschland, dafür kritisiert, dass sie nicht mehr in ihre Verteidigung investieren würden und sich von Putins Gas abhängig gemacht hätten.

Für Ferguson ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass mit Trump im Weissen Haus alles anders verlaufen wäre. «Wladimir, wenn du das tust, schlagen wir in Moskau zu», soll Trump vor einigen Jahren dem Kreml-Chef bei einem Telefonat gedroht haben. Er habe ihm vielleicht fünf oder zehn Prozent geglaubt, erzählte Trump später. Und das sei genug gewesen. Das glaubt auch Ferguson. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass Putin im Falle einer Wiederwahl Trumps nicht in die Ukraine einmarschiert wäre.» (ced)

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