Umdenken in Washington
USA erwägen Lieferung von umstrittener Streumunition an die Ukraine

Die USA erwägen offenbar, der Ukraine Streumunition zu liefern. Werden die kontroversen Wahllos-Killer inzwischen als kriegsentscheidend erachtet? Noch im Dezember winkte Washington eine Lieferbitte Kiews ab. Ein Argument heute: Auch Russland setze Streubomben ein.
Publiziert: 01.07.2023 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2023 um 09:38 Uhr
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US-Generalstabschef Mark Milley denkt laut über die Lieferung von Cluster-Munition an die Ukraine nach.
Foto: Getty Images

Washington erwägt offenbar, Streumunition an Kiew zu liefern. Nach Angaben von US-Generalstabschef Mark Milley (65) setze auch Russland sogenannte Cluster-Munition in der Ukraine ein.

Das internationale Abkommen über Streumunition (CCM), das die Schweiz 2012 ratifizierte, verbietet zwar Streubomben. 107 Nationen ächten die Waffe. Die USA und auch Russland haben den Vertrag nicht unterzeichnet. Noch im Dezember hielt die US-Regierung derartige Waffensysteme mit Hunderten von Munitionspaketen für nicht kriegsentscheidend. Jetzt scheint sich Washingtons Kontra-Haltung zu wandeln.

Am Freitag erhielt US-Präsident Joe Biden (80) ein Schreiben von einer parteiübergreifenden Kongressgruppe, die den Präsidenten dazu auffordert, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Dies, um die laufende Gegenoffensive besser zu unterstützen.

Hohe Blindgängerquote, wahllose Zerstörung

Die Lieferung soll der Kriegsnation «eine schlagkräftige Waffe» geben, so die unterzeichnenden Abgeordneten. «Lassen Sie uns dieses ungenutzte, riesige Arsenal für den ukrainischen Sieg und zur Wiedererlangung von Europas Frieden einsetzen», zitiert «Foreign Policy» das Schreiben.

Streumunition sind Raketen oder Bomben, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Umstritten sind sie wegen der hohen Blindgängerquote und oftmals wahllosen Zerstörung.

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Im ehemaligen Indochina-Kriegsschauplatz Laos sorgen sogenannte «Gänseblümchenschneider» der Amerikaner noch heute für Tod und Zerstörung. Jahrzehntelang im Erdreich vergraben, detonieren solche «willkürlichen Waffen» noch heute bei Bauarbeiten oder Feldarbeit.

«Es wird sehr, sehr blutig»

Laut Milley hatten die Ukrainer um Streumunition «gebeten». «Andere europäische Länder haben etwas davon zur Verfügung gestellt, die Russen nutzen es.» Der Entscheidungsprozess laufe. Dabei wies der US-Generalstabsvorsitzende Bedenken zurück, die Gegenoffensive der Ukraine komme zu langsam voran. Die erste Kampagne werde wohl sechs bis zehn Wochen dauern. «Es wird sehr schwierig sein. Es wird sehr lange dauern und sehr, sehr blutig.»

So sei Krieg, sagte Milley. «Sehen Sie, Krieg auf dem Papier und echter Krieg sind unterschiedlich. Und im echten Krieg sterben echte Menschen. An dieser Front stehen echte Menschen. In diesen Fahrzeugen sitzen echte Menschen. Echte Körper werden durch Sprengstoff zerfetzt und so weiter und so fort.»

Das nur langsame Vorrücken der Ukraine überrascht Milley nicht: «Am Ende des Tages stürmen ukrainische Soldaten durch Minenfelder und in Schützengräben. Also, ja, klar, es geht etwas langsam, aber das liegt in der Natur des Krieges.» (kes)

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