Um nicht an die Front zu müssen
Russische Seeleute stecken auf See fest

Matrosen mit russischer Staatsbürgerschaft stecken in der Klemme: Sie wollen nicht nach Russland zurück, doch ihre Visa verlieren ihre Gültigkeit. Die einzige Lösung: So lange wie möglich auf See bleiben.
Publiziert: 03.11.2022 um 18:05 Uhr
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An Bord spielt die Nationalität keine Rolle: Auf Cargo-Schiffen arbeiten Menschen aus aller Welt.
Foto: keystone-sda.ch
Jenny Wager

Seeleute verschiedener Nationalitäten segeln in Crews um die Welt und arbeiten im Ausland. Laut der Internationalen Schifffahrtskammer (ICS) machen russische und ukrainische Seeleute 14,5 Prozent der weltweiten Schifffahrtsbelegschaft aus. Der Krieg spielt an Bord keine Rolle, doch an Land sieht es anders aus. Viele Russen stecken fest, denn sie wollen auf keinen Fall in ihre Heimat zurück, seit der russische Präsident Wladimir Putin (70) die Teilmobilmachung verkündet hat, berichtet «Radio Liberty».

Die Männer haben wegen ihrer Arbeitsverträge in Europa zeitlich begrenzte Visa für das Ausland, danach müssten sie zurück nach Russland. Auch wenn die Teilmobilmachung laut dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) beendet ist, herrscht nach wie vor Unsicherheit unter der Bevölkerung.

Denn: Putin hat kein Dekret unterschrieben – dadurch bleibt ihm der Spielraum, auch weiterhin Männer zu mobilisieren. Viele russische Männer im Ausland wissen: Früher oder später werden Matrosen für die Kriegsflotte benötigt.

Russen und Ukrainer arbeiten Seite an Seite

Viele russische Matrosen arbeiteten mit Ukrainern zusammen und können den Krieg nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Man freue sich darüber, dass keine Sprachbarriere herrscht. Deutsche Reeder beispielsweise berichteten noch im März, dass 5000 Russen und Ukrainer an Bord arbeiten. Russische Kapitäne zeigten sich laut dem deutschen «Bundesministerium für Digitales und Verkehr» solidarisch mit ukrainischen Seeleuten und zeigten «Unverständnis über den Krieg».

Statt die Schiffe zurück nach Murmansk, Kaliningrad oder St. Petersburg zu bringen, verlassen die Russen ihre Crew am letzten Checkpoint. Denn an russischen Häfen würde jedes Crew-Mitglied von oben bis unten durchgecheckt. Die Russen versuchen daher, im Ausland zu bleiben.

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Keine Chance auf Asyl in Europa

Man habe sie im Stich gelassen, klagen russische Matrosen gegenüber «Radio Liberty». Und das, obwohl die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) Seeleuten in der Regel Schutz anbietet. Ihre Bemühungen blieben nach Angaben der Matrosen aber bisher erfolglos. Ukrainischen Seeleute wurden indes als Flüchtlinge aufgenommen.

Russische Kriegsverweigerer haben dagegen wenig Chancen auf Asyl in Europa. Zwar haben die Matrosen internationale Papiere und befinden sich rechtmässig in der EU – aber ohne Visum bringt sie der russische Pass nicht besonders weit. Aktuell unterschreiben die Seeleute deshalb einen Vertrag nach dem anderen – um möglichst lange auf See bleiben und arbeiten zu können.

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