Wladimir Putin (71) duldet keinen Widerspruch. Inzwischen sind fast alle prominenten Gegner des russischen Präsidenten gefangen, ins Exil geflüchtet oder tot. Die Verfolgung der Oppositionellen in Russland um Überblick:
Tod im Gefängnis
Über ein Jahrzehnt war Alexei Nawalny (†47) der grösste Kritiker des Kreml. Dafür wurde er schikaniert, vergiftet und inhaftiert. Am 16. Februar starb er in einer Strafkolonie am Polarkreis. Seine Anhänger und viele westliche Politiker machten Putin für Nawalnys Tod verantwortlich, einige sprechen von Mord. 2020 wurde Nawalny Opfer eines schweren Giftanschlags. Nach seiner Behandlung in Deutschland kehrte er im Januar 2021 nach Russland zurück. Dort wurde Nawalny sofort verhaftet und unter anderem wegen «Extremismus» zu 19 Jahren Straflager verurteilt.
Ermordet
Boris Nemzow (†55) war Vize-Regierungschef und zeitweise als Nachfolger von Präsident Boris Jelzin (1931–2007) im Gespräch. Doch dann wurde Putin Staatschef und Nemzow zu einem seiner schärfsten Kritiker. Im Februar 2015 wurde der 55-Jährige auf einer Brücke nur wenige Meter vom Kreml entfernt mit vier Schüssen in den Rücken ermordet. Seine Unterstützer beschuldigten den Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow (47), den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Fünf Tschetschenen wurden verurteilt, ohne dass der Drahtzieher offiziell benannt wurde.
Im Oktober 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja (†48) in ihrem Haus in Moskau erschossen. Sie arbeitete für die unabhängige Zeitung «Nowaja Gaseta» und hatte jahrelang die Verbrechen der russischen Armee in Tschetschenien dokumentiert.
Hinter Gittern
Viele weitere Gegner Putins sitzen im Gefängnis. Am Dienstag wurde der Menschenrechtsaktivist Oleg Orlow (70) von der verbotenen Organisation Memorial zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Sein Vergehen: Kritik am Krieg gegen die Ukraine.
Der Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa (42) wurde nach eigenen Angaben zwei Mal vergiftet. Im April 2023 verurteilte ihn ein Gericht hinter verschlossenen Türen zu 25 Jahren Haft, weil er «falsche Informationen» über das russische Militär verbreitet habe. Er verbüsst seine Strafe in Sibirien.
Achteinhalb Jahre Gefängnis lautete das Urteil gegen den Politiker Ilja Jaschin (40) im April. Er hatte die «Ermordung von Zivilisten» in der ukrainischen Stadt Butscha angeprangert.
Xenia Fadejewa (31), ehemalige Abgeordnete und Verbündete Nawalnys, musste Ende 2023 eine neunjährige Haftstrafe antreten. Die Behörden werfen der 31-Jährigen vor, eine «extremistische Organisation» gegründet zu haben. Mit derselben Begründung wurde Lilia Tschanyschewa (42), die erste Mitarbeiterin Nawalnys, im Juni 2023 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Im Exil
Viele Oppositionelle leben inzwischen im Ausland, wie der einstige Schachweltmeister Garry Kasparow (60). Als der Oppositionelle und ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski (60) nach zehn Jahre im Gefängnis 2013 freikam, floh er nach London, von wo aus er oppositionelle Plattformen finanziert.
Viele Anhänger von Chodorkowski und Nawalny verliessen in den vergangenen drei Jahren das Land, weil sich die Repression, vor allem seit dem Überfall auf die Ukraine, weiter verschärfte. Doch auch im Exil bleiben die Oppositionellen nicht unbehelligt: Im Februar leiteten die russischen Behörden ein Ermittlungsverfahren wegen «Aufruf zum Terrorismus» gegen den Schriftsteller Boris Akunin (67) ein, der seit 2014 in London lebt.
«Ausländische Agenten»
Eine weitere Methode, Kritiker zum Schweigen zu bringen, ist, sie als «ausländische Agenten» einzustufen. Hunderte von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen und Journalisten wurden mit diesem Etikett belegt, unter ihnen Ex-Regierungschef Michail Kassjanow (66) und der Chefredaktor der «Nowaja Gaseta», Dmitri Muratow (62). Auch Organisationen wie Memorial oder das Sacharow-Zentrum wurden wegen Verstosses gegen das Gesetz über «ausländische Agenten» aufgelöst. (AFP/jmh)