Der 553. Tag ihres Krieges startete für die Russen mit einem riesigen «Bumm». Beim grössten Drohnen-Angriff seit Kriegsausbruch nahmen die Ukrainer fünf russische Regionen sowie die von Russland besetzte Krim ins Visier. Mit Erfolg.
Allein auf dem «Prinzessin Olga»-Flugplatz in der westrussischen Stadt Pskow gingen vier russische Militärtransportflugzeuge in Flammen auf. Die Iljuschin-Il-76-Flieger brauchen die Russen, um Panzer an die Front zu bringen. Doch die ukrainische Drohnenshow hat mehr gebracht als nur Sachschaden an russischen Transportfliegern. Viel mehr.
Erstens hat der Angriff auf russische Militärziele den Menschen in Wladimir Putins (70) Reich einmal mehr gezeigt: Der Krieg ist hier, direkt vor der Haustür. Die Schlachtfelder im Donbass und die Kampfgräben in Saporischschja mögen weit weg sein. Aber ruhig schlafen könnt auch ihr nicht mehr, solange euer Regime den unnötigen Krieg nicht beendet. «Die unberechenbaren Angriffe in der Nacht sollen die russische Zivilbevölkerung verunsichern», sagt ETH-Militärexperte Marcel Berni (35).
Zweitens sind die Drohnentreffer Teil einer Art Geister-Gegenoffensive. Wie aus dem Nichts tauchen die Drohnen überall in Russland auf und stürzen mit ihrer zerstörerischen Last auf vorwiegend militärische Ziele nieder. Sie haben die russische Kriegslogistik (Flugplätze, Verbindungsstrassen, aber auch Raketenabwehrsysteme) entscheidend geschwächt.
Und drittens zwingen die Drohnenangriffe die Russen zum mühsamen Umplanen. Mick Ryan, früherer General der australischen Streitkräfte, schreibt auf X (vormals Twitter): «Diese Attacken nötigen die Russen, ihre Verteidigungsstrategie umzudenken und ihre Truppen zu verschieben.» Und sie machten dem Westen Hoffnung, dass die Ukraine tatsächlich gewinnen könne.
Warum braucht das denn so lange?
Wenn der Drohnengrossangriff so erfolgreich ist, warum kommt er dann erst jetzt? Die einfache Erklärung: Die Ukraine musste Tausende sogenannte Erkundungsangriffe auf russische Ziele fliegen, um herauszufinden, von wo aus die russischen Abwehrraketen abgeschossen werden. In einem zweiten Schritt konnten die Ukrainer ebendiese Abwehrsysteme ausschalten, um dann mehr oder weniger ungehindert ihre Hauptziele ins Visier zu nehmen.
Und was nun? Klar ist, dass die Drohnenangriffe Russland stark zugesetzt haben. Der russische Bär wirkt nach den jüngsten Attacken auf seine Flugplätze und Logistikzentren wie ein Boxer, der nach dem x-ten Schlag in die Magengegend zu taumeln beginnt und sich nicht mehr lange halten kann. Zwar hält sich Russland noch immer auf den Beinen und schlägt weiter zu – in der Nacht auf Mittwoch etwa mit weiteren Raketenangriffen auf Wohnquartiere in Kiew. Der russische Boxer aber wirkt zusehends desorientiert.
Der Militärblogger Egor Guzenko, eine einflussreiche Stimme in Russland, bringt die Stimmung auf Telegram so auf den Punkt: «Ich bin mir nicht mehr so sicher, was diesen Sieg angeht.» Damit ist das Hauptziel der ukrainischen Drohnen erreicht: Die Saat des Zweifels keimt in Russland. Und gegen die steht in Putins Giftschrank für einmal kein Mittelchen.