Sie möge es, im Hintergrund zu bleiben, sagte Olena Selenska (44) noch im vergangenen Sommer in einem Gespräch mit dem Magazin «Vogue». Doch der Krieg in ihrem Heimatland zwang die ukrainische First Lady ins Rampenlicht. Als Stellvertreterin für ihren Mann reiste sie in die Türkei, um ein Kriegsschiff in Empfang zu nehmen, nahm an Geberkonferenzen in Paris teil und forderte im Juli – fünf Monate vor der US-Reise ihres Mannes – vor dem amerikanischen Kongress in Washington «Waffen, um unser Zuhause zu schützen».
Die nächste Reise könnte Olena Selenska – Familiennamen passen sich auf Ukrainisch dem Geschlecht an – in die Schweiz führen. Am Mittwoch wurde publik, dass sie als Rednerin am World Economic Forum (WEF) in Davos GR auftreten wird. Ob sie dafür tatsächlich ins Landwassertal reist oder sich nur per Video zuschaltet, wollen die Veranstalter aus Sicherheitsgründen nicht bekannt geben.
Vom Showbusiness auf die Diplomatenbühne
Dass sie einst zur diplomatischen Geheimwaffe ihrer Heimat wird, hätte sich die studierte Architektin aus der südukrainischen Stadt Krywyj Rih nicht träumen lassen. Nach dem Studium arbeitete sie als Drehbuchautorin für die TV-Produktionsfirma des damaligen Komikers Wolodimir Selenski (44), den sie schon während ihrer gemeinsamen Schulzeit kennengelernt hatte. Die beiden verbindet viel: Beide sind russischsprachig aufgewachsen und haben erst später Ukrainisch gelernt. Beide sind sie Einzelkinder. Und beide verdienten ihr Geld einst im Showbusiness.
Jetzt kämpfen Olena Selenska und ihr Mann gemeinsam ums Überleben ihrer Heimat. Während Selenski über Waffenlieferungen verhandelt und an die Ostfront reist, kümmert sich Selenska vorwiegend um den Wiederaufbau von Spitälern und die Unterstützung von Lehrpersonen im Kriegsgebiet. Mit ihrer Stiftung unterstützt die zweifache Mutter zudem ukrainische Museen. Die eigene Kultur zu schützen, sagt Selenska, sei eine der wichtigsten Verteidungsstrategien gegen die Russen, die die ukrainische «Nation auslöschen» wollten.
Selenska und Selenski leben getrennt – aus Sicherheitsgründen
Dass sie bei ihrem möglichen Besuch in der Schweiz von ihrem Mann begleitet wird, ist unwahrscheinlich. Nicht einmal in Kiew wohnen die beiden derzeit zusammen – aus Sicherheitsgründen. Für die beiden Kinder Oleksandra (18) und Kyrylo (9) sei das besonders schwierig, erzählte sie im Herbst der «Bild».
Ihre Forderung in Davos dürfte deshalb dieselbe sein wie schon in Washington und in Paris: «Schickt uns Waffen, mehr Waffen, damit wir diesen elenden Krieg endlich beenden können.»