Ukraine-Kommandant ist besorgt
Kamikaze-Drohnen befeuern Russlands Schlagkraft

Russland soll iranische Kamikaze-Drohnen in der Region Charkiw eingesetzt haben. Diese Drohnen könnten die Strategie der ukrainischen Truppen vereiteln, glaubt ein Militärexperte.
Publiziert: 20.09.2022 um 16:43 Uhr
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Diese Drohne ist in der Region Charkiw entdeckt worden. Dabei soll es sich um eine iranische Shahed-136-Drohne handeln.
Foto: Verteidigungsministerium der Ukraine

Sie bergen grosses Gefahrenpotenzial für den weiteren Verlauf des Ukraine-Kriegs: die iranischen Kamikaze-Drohnen des Typ Shahed-136. Die russischen Truppen haben mit diesen Drohnen mehrere schwere Angriffe in der nordöstlichen Region Charkiw durchgeführt. Gemäss ukrainischen Angaben soll es sich dabei um den ersten gross angelegten Einsatz eines ausländischen Waffensystems auf russischer Seite handeln.

Wie das «Wall Street Journal» schreibt, sind in den vergangenen Wochen mehrere iranische Drohnen, die in russische Farben umlackiert und als «Geranium 2» beschriftet wurden, über die Stellungen der Ukrainer hinweggeflogen. Gegenüber der Zeitung sagt Rodion Kulagin, Artilleriekommandant der 92. Brigade der ukrainischen Armee, dass nur schon in seinem Einzugsgebiet vier Panzerhaubitzen und zwei Schützenpanzer durch die iranischen Drohnen zerstört wurden.

Schwer zu entdecken

Vor einer Woche sind erstmals Bilder veröffentlicht worden, die den Einsatz der Drohnen belegen sollen. Auch das britische Verteidigungsministerium berichtete, dass Russland mit hoher Wahrscheinlichkeit erstmals die Shahed-136-Drohnen verwendet habe. Deren Reichweite betrage rund 2500 Kilometer. Gemäss dem Verteidigungsministerium macht es den Anschein, als benutze Moskau die Drohnen für taktische Angriffe in der Nähe der Frontlinien.

Wie der ukrainische Kommandant Kulagin vermutet, sei der Einsatz der Drohnen auf die ukrainischen Rückeroberungen zurückzuführen. Weil Gebiete in Charkiw wieder in ukrainische Hände gefallen sind, hätten die russischen Streitkräfte dort den Artillerievorteil verloren. «Deshalb haben sie begonnen, auf diese Drohnen zurückzugreifen», sagt Kulagin.

Die iranischen Kamikaze-Drohnen fliegen meist paarweise und schlagen dann auf ihre Ziele ein. Für die ukrainischen Luftabwehrsysteme sind sie gemäss Kulagin schwer zu entdecken. Der Grund: Sie sind relativ klein und fliegen niedrig.

Kamikaze-Drohne kann zu grossem Problem werden

Diese Drohnen könnten den ukrainischen Truppen künftig zu schaffen machen. Dieser Ansicht ist Scott Crino, Gründer des Consulting-Unternehmens Red Six Solutions und ehemaliger US-Oberstleutnant. Im Gespräch mit dem «Wall Street Journal» sagt er, dass die iranischen Shahed-136-Drohnen – im Gegensatz zur eher schwachen Drohnentechnologie Russlands – ein «starkes Gegengewicht» zu den westlichen Waffensystemen der Ukrainer bilden könne. «Die Anwesenheit der Shahed-136 im Ukraine-Krieg verändert zweifellos die operativen Pläne Kiews», sagt Crino.

Die besonders grossen Schlachtfelder in der Ukraine erschwere die Abwehr gegen die Kamikaze-Drohnen. Zudem verfügen die Drohnen gemäss Crino über eine hohe Zielgenauigkeit: «Wenn eine Shahed einmal ein Ziel erfasst hat, ist sie schwer zu stoppen.»

Ukraine-Kommandant hofft auf Drohnen aus den USA

Um gegen die iranischen Drohnenlieferungen an Russland anzukämpfen, hofft Kommandant Kulagin auf fortschrittlichere Drohnentechnologien aus den USA und von ihren Verbündeten. Zu solchen Lieferungen hat sich das Land derzeit nicht geäussert.

Bereits im Juli warnten erste US-Sicherheitsberater, dass Russland womöglich Hunderte Drohnen aus dem Iran einkaufe. Das iranische Aussenministerium bestritt damals dieses Vorhaben. Der Kreml hat in der Öffentlichkeit bislang nichts zum Kauf von iranischen Drohnen gesagt. (bab)

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