Auf einen Blick
- Neues Coronavirus in China entdeckt
- Erreger könnte sich von Fledermaus auf den Menschen übertragen
- Forscher mahnen zur Besonnenheit
Derzeit sorgt eine Studie aus China für mächtig Wirbel: Forscher in der chinesischen Metropole Wuhan stiessen auf ein neues Coronavirus, das in Fledermäusen vorkommt. Sie schreiben in der kürzlich im Fachmagazin «Cell» erschienenen Studie von einem «hohen Übertragungsrisiko auf den Menschen». Der Zürcher Infektiologe Huldrych Günthard (63) beantwortet für Blick die wichtigsten Fragen zur neuen Virusart.
Was ist das neu entdeckte Coronavirus HKU5-CoV-2 genau?
HKU5-CoV-2 gehört zur Gruppe der Coronaviren und befällt Fledermäuse. Bisher wurde noch kein Mensch mit dem Erreger infiziert. «Es gibt ganz viele verschiedene Coronaviren, die in Fledermäusen vorkommen», erklärt Günthard. «Das ist erstmal nichts Erstaunliches.»
Was bei dieser Art besonders ist, ist der Eindringmechanismus: HKU5 scheint an menschliche Zellen andocken zu können. In der Theorie eröffnet das Potenzial für Weiterverbreitung.
«Offenbar ist HKU5-CoV-2 in der Lage, an denselben Zellrezeptor anzudocken, wie das auch Sars-CoV-2 tut», erklärt der Infektiologe. Die chinesischen Forscher arbeiteten dabei mit sogenannten Mini-Mensch-Organmodellen. Dabei werden die Zellen der menschlichen Atemwege nachgebaut.
Ist die neue Form gefährlich?
Das Potenzial, dass das Virus auf den Menschen übertragen werden kann, ist laut der aktuellen Studie vorhanden. Besteht also Grund zur Sorge? «Das kann man nicht pauschal sagen», so Günthard. Der Experte mahnt jedoch zur Besonnenheit. «Das Gute ist, dass die herkömmlichen antiviralen Medikamente zu helfen scheinen.» Bisher wurde auch noch kein Mensch infiziert. Aus diesem Grund stellt das Virus derzeit für die Schweiz kein Risiko dar, wie Mediensprecher Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit auf Anfrage schreibt. Im Falle einer Übertragung auf den Menschen würde man eine neue Beurteilung vornehmen.
Falls es dennoch zu einer Übertragung kommen sollte, dürfte diese respiratorisch, das heisst mittels Tröpfcheninfektion, erfolgen. Die Symptome würden sich wahrscheinlich ebenfalls denjenigen des Covid-19-Virus ähneln. Sprich: Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Fieber. «Es wäre jedoch auch möglich, dass sich noch andere Symptome präsentieren», präzisiert Experte Günthard.
Kann es zu einer neuen Pandemie kommen?
Günthard erklärt: «Nur aufgrund der Studienergebnisse lässt sich nicht darauf schliessen, ob und wie schnell sich dieses Virus unter Menschen ausbreiten würde.» Die Wahrscheinlichkeit wird allgemein als eher gering eingestuft. Klar ist: «Es kann durchaus sein, dass eines der vielen in Fledermäusen vorkommenden Coronaviren in Zukunft auf den Menschen überspringen kann.» Dies bedeute jedoch nicht, dass die Verbreitung so aussehen müsste wie bei der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020. «Das war eine extreme Dimension.»
Günthard verweist zudem auf die erhöhte Immunität in der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 durch Impfung und durchgemachte Infektionen. «Es könnte auch sein, dass eine gewisse Kreuzimmunität besteht und allenfalls ein gewisser Pandemieschutz vorhanden sein könnte, sollte dieses neue Virus denn mal auf den Menschen überspringen.» Zusätzlich sei es sehr positiv, dass die bekannten gegen Sars-CoV-2 antiviral wirkenden Substanzen wie Remdesivir und Nirmatrelvir sowie auch gewisse gegen Sars-CoV 2 wirksame Antikörper im Reagenzglas gegen dieses Virus zu wirken scheinen.
Wie geht es jetzt weiter?
Weitere Studien unter Laborbedingungen sind nötig, um das tatsächliche Risiko von HKU5-CoV-2 besser einschätzen zu können, schreiben die Autoren. Während das Virus theoretisch ein Risiko darstellt, gibt es keinen Grund zur akuten Sorge. Zur Vorbereitung und Prävention zukünftiger Pandemien bietet die Studie jedoch tatsächlich einen Mehrwert: Sie liefert neue Erkenntnisse zur Übertragung von Erregern zwischen Mensch und Tier.