Auf einen Blick
- Gefängnisse in England und Wales sind überfüllt
- Viele junge Männer werden ohne Unterstützung entlassen
- Über 5000 Gefangene sollen bis Ende Oktober freikommen
Es sind geradezu katastrophale Zustände, die in manchen Gefängnissen in England und Wales herrschen. Überfüllung, Rattenplagen, Bandengewalt, Personalmangel: Selbst in offiziellen Dokumenten wird die Lage als besorgniserregend eingestuft. Ein Teil der Gebäude stammt noch aus dem 19. Jahrhundert und wurde nie richtig modernisiert.
Um Platz zu schaffen und einer «ungehemmten Kriminalität» entgegenzuwirken, hat die neue Regierung unter dem sozialdemokratischen Keir Starmer (62) beschlossen, bis Ende Oktober mehr als 5000 Gefangene frühzeitig zu entlassen. Die Regelung sieht vor, dass einige Gefangene bereits nach 40 Prozent ihrer verbüssten Strafe entlassen werden können. Aber: Wer wegen Terrorismus, sexueller Delikte, häuslicher Gewalt und schwerer Straftaten einsitzt, kommt nicht frei, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA präzisiert.
«Ich bin so gut wie mittellos»
Kritisiert wird, dass vor allem viele junge Männer in Freiheit gelangen würden, ohne dass sie Unterstützung bei der Job- oder Wohnungssuche erhielten, und in sozialen Brennpunkten landen würden. «Infolgedessen besteht die Gefahr, dass das Entlassungsprogramm die Rehabilitation gefährdet und die Rückfallquote erhöht, wenn es nicht durch angemessene Unterstützung und eine wirksame Wiedereingliederung flankiert wird», unterstrich die Organisation Switchback.
Diese Gefahr, auf sich alleine gestellt zu sein und erneut in kriminelle Machenschaften abzurutschen, sieht unter anderem auch Ex-Häftling Jason (23), der wegen Drogendelikten sass und Anfang September entlassen wurde. Nach dem Glücksgefühl habe jetzt die Realität zugeschlagen, und er habe Angst, obdachlos zu werden. «Ich bin so gut wie mittellos und versuche, mich durchzuschlagen», sagt er zu BBC. «Solche wie mich gibt es viele, und ohne Hoffnung ist das wirklich schrecklich.»
Keine Hoffnung auf schnelle Besserung
Hinzu kommt, dass sich an den unhaltbaren Zuständen laut der ehemaligen Gefängniswärterin Alex South ebenfalls nichts ändern werde. «Es fehlte überall an Personal, deshalb mussten wir die Gefangenen 23 Stunden am Tag wegschliessen. Diese Art der Isolation aber führt zu immer mehr Gewalt und Selbstverstümmelung», sagt South im Interview mit dem ARD-«Weltspiegel». Sie habe grausame Dinge gesehen. «Menschen, die sich ihre Lippen zugenäht haben» oder sich anders verletzten. Da sei die Gewalt untereinander noch gar nicht mit dabei. Sie glaubt nicht an eine rasche Verbesserung der Umstände.
Die Regierung von Premierminister Starmer räumte derweil ein, dass es für Opfer «unglaublich schwierig» sei, zu erfahren, dass die Täter vor Verbüssung ihrer Strafe freigelassen werden. «Dies ist eine weitere schwierige, harte, aber notwendige Massnahme, die wir ergreifen», sagte eine Regierungssprecherin. Zugleich betonte sie, das Kernproblem sei, dass die konservative Vorgängerregierung nicht genügend Haftplätze geschaffen habe. Zudem seien wiederholt Warnsignale aus dem Justizministerium ignoriert worden.