Sie gehörte zu den grossen finanziellen Gewinnern der Coronakrise in Deutschland: Die Politikertochter Andrea Tandler muss für vier Jahre und fünf Monate ins Gefängnis, weil sie Millionengewinne durch Maskengeschäfte nicht ordnungsgemäss versteuerte.
Mit der Strafe blieb das Landgericht München I am Freitag im Rahmen einer Verständigung der Prozessparteien. Tandler und ihr zu drei Jahren neun Monaten Haft verurteilter Partner Darius N. kamen trotz der hohen Strafen vorerst wieder frei.
Tochter des bayerischen Finanzministers
Der Steuerprozess stand im Zusammenhang mit der bayerischen Maskenaffäre, in der Unternehmer im Zusammenspiel mit ihnen bekannten Politikern hohe Millionengewinne zu Beginn der Coronapandemie durch den Verkauf von Schutzmasken erzielen konnten.
Die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner verwies insbesondere auf die engen Kontakte Tandlers zur Familie von CSU-Legende Franz Josef Strauss. «Die Maskengeschäfte kamen über die privaten Kontakte der Angeklagten Tandler zu ihrer Kindheitsfreundin Monika Hohlmeier zustande», sagte sie. Die CSU-Europaabgeordnete Hohlmeier ist die Tochter von Strauss – Tandler die Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs und bayerischen Finanzministers Gerold Tandler.
Mehr als 400 Millionen Euro Umsatz
Tandler habe gegenüber Hohlmeier so getan, als wolle sie mit der Vermittlung von Masken nur etwas Gutes tun, ihre Millionenprovisionen aber verschwiegen, sagte Wagner. Tatsächlich vermittelte Hohlmeier für Tandler Kontakte. Aus Chats ergibt sich, dass Tandler sich dabei der Wirkung ihres Familiennamens bewusst war – eine Chatgruppe nannten sie und ihre Geschäftspartner «Das Ministerium».
Tandler und ihr Partner N. machten zu Beginn der Coronapandemie mit einer neu gegründeten Firma in kurzer Zeit mit Masken und Schutzkleidung Umsätze in Höhe von mehr als 440 Millionen Euro, Tandler kassierte dafür 48,3 Millionen Euro an Provisionen. Richterin Wagner sagte, der hohe Ertrag störe zwar die Moralvorstellung vieler Menschen – die beiden Angeklagten seien aber «nicht stellvertretend für Kriegsgewinnler und Glücksritter» der Coronapandemie verurteilt worden. «Für einen wirtschaftlichen Erfolg muss sich niemand schämen.»
Geständnis abgelegt
Der Richterin zufolge ging es in dem Verfahren allein darum, dass Tandler und N. ihre Einkünfte zwar versteuert, dies aber nicht ordnungsgemäss und mit zur Steuerreduzierung gedachten Konstruktionen getan hatten. So wählten die beiden für den Sitz ihrer Firma den von der Richterin als «Steueroase Grünwald» bezeichneten Münchner Vorort, um von der dort im Vergleich zu München deutlich geringeren Gewerbesteuer zu profitieren. Tatsächlich arbeiteten die beiden aber nicht in Grünwald.
Das Urteil bewegt sich im Rahmen einer Verständigung, die für Tandler maximal vier Jahre neun Monate Haft und S. maximal vier Jahre Haft vorsah. Beide Angeklagte hatten im Zuge der Verständigung ein weitgehendes Geständnis abgelegt und den entstandenen Steuerschaden in Höhe von 11,5 Millionen Euro bezahlt.
Tandlers Gesundheit ist angeschlagen
Nach der Verkündung des Urteils setzte das Gericht die beiden Haftbefehle gegen die seit Januar in Untersuchungshaft sitzenden Tandler und N. unter Auflagen ausser Vollzug. Erst sobald das Urteil gegen beide rechtskräftig ist, folgt nun für beide eine Ladung zum Haftantritt - nach Angaben eines Gerichtssprechers ist offen, wann das sein wird.
Tandlers Gesundheit ist angeschlagen. Die Richterin wertete dies als strafmildernd, ebenso das Geständnis der beiden Angeklagten und im Fall Tandlers deren «Einsicht und Reue». Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft zeigte sich sehr zufrieden mit dem Urteil, weil das Gericht der rechtlichen Bewertung der Anklage gefolgt sei.
Tandlers Verteidigung erklärte, mit der Strafe im unteren Bereich der Verständigung sei anerkennt worden, dass Tandler ein echtes Geständnis abgelegt habe. «Besonders positiv ist, dass unsere Mandantin heute mit uns den Gerichtssaal verlassen durfte – sie hat damit die Möglichkeit erhalten, ihre Krankheit so weit wie möglich auszukurieren, bevor sie ihre Haftstrafe antritt.» (AFP)