Bei den Erdbeben vom 6. Februar in der Türkei und in Syrien sind ganze Städte in sich zusammengefallen. Die Erschütterungen haben viele Gebiete ausgelöscht. Einsatzkräfte vor Ort ziehen immer mehr Tote aus den Trümmern hervor. Die Zahl der bestätigten Toten in der Türkei steigt immer noch. Am Freitag lag sie bei fast 44'000. In der Provinz Hatay hat das Erdbeben besonders gewütet.
Doch mitten im Katastrophengebiet ist ein Fleck unversehrt geblieben: die Stadt Erzin. Kein einziges Gebäude ist eingestürzt und die 42'000 Einwohner sind weitgehend unverletzt. Die Stadt in der türkischen Provinz Hatay hat die Erschütterungen beinahe unbeschadet überstanden, obwohl sich Erzin nur 100 Kilometer vom Epizentrum des Bebens befand. Der Grund für das Wunder: Bürgermeister Ökkes Elmasoglu (44).
Er ist seit vier Jahren Bürgermeister der Stadt und liess in dieser Zeit keinen Bau-Pfusch zu. «Ich habe keine illegalen Bauten und Bautätigkeiten zugelassen», sagte er im türkischen Fernsehen nach dem Todes-Beben, wie die «Tagesschau» berichtet. Er habe ein reines Gewissen haben wollen. Das habe ihm zwar Ärger und auch Spott eingebracht. Jetzt sind die Bewohner ihrem Bürgermeister aber dankbar. Seine harte Hand hat ihnen das Leben gerettet.
«Sie haben die Häuser zum Friedhof gemacht»
Illegal errichtete Gebäude oder Bau-Pfusch sind ein Problem in der Türkei. Dadurch stürzten viele Gebäude bei den Erdbeben ein wie Kartenhäuser. Erste Haftbefehle wurden erlassen. Die Beschuldigten sollen für Baumängel verantwortlich sein. Experten kritisieren, dass die Bauvorschriften für mehr Schutz vor Beben nicht umgesetzt werden.
Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74) kritisierte, dass die Regierung im Jahr 2018 eine Bau-Amnestie erlassen habe, mit der illegal errichtete Gebäude gegen Strafzahlung im Nachhinein legalisiert worden seien. «Sie haben die Häuser, in denen die Menschen leben, zum Friedhof gemacht und dafür noch Geld genommen.»
«Tut mir leid, da kann ich nichts machen»
Ökkes Elmasoglu widersetzte sich der Pfusch-Praxis. Bereits drei Wochen nach seinem Amtsantritt im Jahr 2019 sei er gebeten worden, einen illegalen Bau von Verwandten zu legalisieren, berichtet er. «Tut mir leid, da kann ich nichts machen», habe er daraufhin erwidert. Kein Einzelfall. Oft sei er darum gebeten worden, die fehlenden Genehmigungen zu ignorieren. Aber nicht mit Elmasoglu.
Der Bürgermeister gibt an, dass die meisten Häuser in seiner Stadt Einfamilienhäuser sind. Es gäbe nur wenige Mehrfamilienhäuser und Apartmentblocks, da diese erst in den letzten zehn Jahren errichtet worden wären. Vor seiner Amtszeit seien zwar ein paar Schwarzbauten errichtet worden, aber auch diese hielten den Erdstössen stand. Heute wird der Bürgermeister für seine standhafte Haltung als Held gefeiert. (lia)