Woran leidet der Tschetschenen-Führer?
Im März tauchten erstmals Berichte über den Gesundheitszustand des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow (46) auf. Nach Angaben des kasachischen Journalisten Azmat Maitanow ging es dem Machthaber «überhaupt nicht gut». Der Grund seien ernsthafte Nierenprobleme». Im Juli hiess es erneut, dass Kadyrow schwer erkrankt sei. Der tschetschenische Oppositionelle Tumso Abdurachmanow schrieb, Kadyrow müsse zur Dialyse. Mitte September hiess es dann, der Gesundheitszustand des Tschetschenen-Führers habe sich massiv verschlechtert. So berichtete der oppositionelle tschetschenische Fernsehsender Niyso in der Nacht zum 15. September, Kadyrow sei ins Koma gefallen. Am selben Tag berichtete die ukrainische Publikation «Obozrevatel», dass Kadyrow seit mehreren Tagen im Koma liege. Ein Vertreter des ukrainischen Staatssicherheitsdienstes erklärte daraufhin, dass sich Kadyrow in einem «ernsten Zustand» befinde.
Wo ist Kadyrow?
Der Aufenthaltsort von Kadyrow ist unbekannt. Im Internet kursieren Gerüchte über einen Spitalaufenthalt in Moskau. Es gibt auch Vermutungen, dass er sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhalten könnte. Der letzte dokumentierte öffentliche Auftritt absolvierte Kadyrow an einer Veranstaltung an einer Schule in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Ein Video davon wurde am 1. September im Internet hochgeladen. Aus den Daten eines Flugverfolgers geht hervor, dass Kadyrows Flugzeug mit dem Kennzeichen RA-73417 im September mehrmals nach Moskau flog – am 6. und 9. September sowie am 15. September. Am Sonntag berichteten mehrere Telegram-Kanäle über bemerkenswerte Bewegungen vor dem Hauptkrankenhaus des Kremls in Moskau. Den ganzen Tag seien teure Autos mit tschetschenischen Nummernschildern vorgefahren, unter anderem ein Maybach mit zwei Sicherheitsfahrzeugen, ein Porsche Cayenne, vier Geländewagen und zwei BMWs. Das Flugzeug des Präsidenten flog gegen Abend wieder zurück nach Grosny, wie Flugdaten zeigen.
Ist das neuste Video tatsächlich aktuell?
Ebenfalls am Sonntag erschien ein Video im Internet, das Kadyrow bei einem Spaziergang mit Regenjacke zeigt. Der Tschetschenen-Führer erklärt darin, er mache gerade Sport. Über die brennende Frage zu seinem Gesundheitszustand spricht er nicht direkt. Der Kommentar unter dem Video: «Ich rate jedem, der im Internet Wahrheit nicht von Lügen unterscheiden kann, dringend, einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen und seine Gedanken zu ordnen.» Der Zeitpunkt der Aufnahme ist unklar. Berichten zufolge wird vermutet, dass das Video in Grosny aufgenommen wurde. Das Regenwetter im Video stimmt mit den meteorologischen Bedingungen vom Sonntag in Grosny überein.
Was spricht für Kadyrows Tod?
Der tschetschenische Menschenrechtsaktivist Abubakar Yangulbayew schrieb am Sonntagnachmittag sogar, dass Kadyrow tot sei. Er lieferte jedoch keine Beweise oder Hinweise auf die Quelle der Information. Kadyrows Gesicht ist auf den jüngsten Fotos auffällig aufgedunsen. Dies ist auch auf dem Video der Fall. Weil über die Nierenerkrankung des Präsidenten inzwischen auch angesehene Zeitungen wie die russische «Novaya Gazeta» berichten, gilt dies als relativ gut gesichert. Doch die Quellenlage bei der Todesmeldung durch Yangulbayew ist dünn und unzuverlässig. Eine offizielle Bestätigung fehlt. Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin (70), Dmitri Peskow (55), sagte am Montag vor der Presse: «Der Kreml stellt keine Bescheinigungen über den Gesundheitszustand von Ramsan Kadyrow aus, dies ist keine Angelegenheit der Präsidialverwaltung.»
Was würde Kadyrows Tod bedeuten?
Wie die US-Denkfrabrik Institute for the Study of War (ISW) schreibt, könnte ein Ableben Kadyrows und die damit einhergehende Destabilisierung ernsthafte Konsequenzen für Tschetschenien und das Verhältnis der Teilrepublik zu Moskau haben. «Die anhaltende Besorgnis über den Gesundheitszustand des tschetschenischen Staatschefs Ramsan Kadyrow im russischen Informationsraum verdeutlicht die Abhängigkeit des russischen Präsidenten Wladimir Putin von Kadyrow, um die Stabilität in Tschetschenien zu gewährleisten», schreibt das ISW. «Die Destabilisierung von Kadyrows Herrschaft in Tschetschenien wäre ein schwerer Schlag für Putins Regime», heisst es weiter. «Kadyrow und andere russische Beamte sind möglicherweise besorgt, dass anhaltende Gerüchte über seinen Gesundheitszustand die langfristige Stabilität seiner und damit auch Putins Kontrolle über Tschetschenien beeinträchtigen könnten.»