Thailänder gibt der Pandemie die Schuld am Raubmord
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Schweizerin in Phuket ermordet:Thailänder gibt der Pandemie die Schuld am Raubmord

Täter sieht sich als Opfer
Thailänder (27) gibt der Pandemie die Schuld am Raubmord an Schweizerin (†57)

Der mutmassliche Mörder der Schweizerin Rita N. auf Phuket macht Not geltend. Hatte er anfänglich noch einen Lustmord und einen Vergewaltigungsversuch zu Protokoll gegeben, spricht der Thailänder jetzt von reiner Geldnot. Wegen der Pandemie habe er seinen Job verloren.
Publiziert: 09.08.2021 um 01:19 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2021 um 07:46 Uhr
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Der Thailänder Teerawat T. (27), ehemaliger Profi-Kickboxer und der mutmassliche Mörder der Schweizerin Rita N. (†57).
Foto: kapook.com
Daniel Kestenholz, Bangkok

Die Schweizerin Rita N.** (†57), einer hohen Bundesangestellte, war Anfang Juli als eine der Ersten im Rahmen von Thailands neuem «Sandbox»-Öffnungsprogramm nach Phuket gereist. Am Dienstag unternahm N. zu Fuss einen Ausflug zu einem nahen Wasserfall. Den kennen fast nur Einheimische. Kameras fingen noch die letzten Momente in ihrem Leben ein, bevor sie in den Dschungel verschwand. Dort erspähte Teerawat T.* (27) sein Opfer. Er habe gerade wilde Orchideen im Wald gesammelt, gab er später zu Protokoll. Und N. mit ihrer Tasche gesehen.

Täter wollte rauben, nicht töten

Der ehemalige Profi-Kickboxer T. wohnt nur unweit vom Tatort, wo er die Schweizerin brutal tötete. Am Sonntag gab die Polizei in Bangkok eine Pressekonferenz. Der verhaftete T. war live zugeschaltet, im Beisein von seiner Freundin, einem Onkel und seinem Anwalt. Und T. versuchte zu erklären, wie es zu der Schreckenstat kam. Er habe die Frau nicht töten, sondern nur ausrauben wollen. Er habe aus Not gehandelt. Wegen der Covid-19-Krise habe er seinen Job verloren und kein Geld mehr.

300 Baht, umgerechnet 8.20 Franken, hatte N. in ihrer Tasche bei sich. Auf diese Tasche sah es T. ab. Doch die «farang», wie Ausländer in Thailand genannt werden, liess nicht davon ab: «Ich ging nahe an sie heran und nahm sie von hinten in den Schwitzkasten», so T.. «Die Farang versuchte, sich unter meinem Arm zu befreien und wehrte sich, so dass wir ins Wasser fielen. Ich nahm sie erneut in den Schwitzkasten, bis sie bewusstlos wurde.»

Den Körper der Frau bedeckte er behelfsmässig mit dem Kopf nach unten mit einer dunklen Plane und beschwerte diese mit Steinen. Dann floh er – und kaufte sich mit dem Geld Marihuana, wie er laut thailändischen Medienberichten bei seiner Verhaftung aussagte.

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Thailand ist um seinen Ruf besorgt

Der mutmassliche Täter hatte gleich nach der Verhaftung noch zu Protokoll gegeben, er habe beim Anblick der Frau Lust verspürt. Bei der Pressekonferenz am Tag darauf wirkt er sachlich und gibt sich selber als Opfer. «Ich wollte sie nicht töten», beteuert T. Und entschuldigt sich: «Ich möchte mich bei der Familie für das entschuldigen, was ich getan habe. Ich bitte alle Menschen in Thailand um Vergebung. Ich fühle mich sehr schuldig für das, was ich getan habe.»

Er sei arm und in Not, so der Täter. Es scheint fast, als wollten auch die thailändischen Behörden sicherstellen, dass diese Version publik wird, und nicht jene des Kleinkriminellen, Drogendelinquenten, Vergewaltigers und Mörders. Dass ein mutmasslicher Mörder per Telefonschaltung aus einer anderen Provinz live zugeschaltet wird, um seine Version der Dinge darzulegen, ist eine Premiere in Thailand.

Grosse Not im Land

Die Not vieler Menschen in Thailand wegen der Corona-Krise ist gross. Millionen haben ihre Arbeit verloren. Die Regierung verordnet Lockdowns. Menschen bleiben auf sich allein gestellt. Es gibt es keine sozialen Auffangnetze und Hilfszahlungen der Regierung. Schuldenberge türmen sich. Ein in Thailand ansässiger Schweizer schreibt Blick: «Vielen hier gehts ums Überleben.» Er habe kürzlich «verzweifelte Frauen» nach Hause gefahren. Sie hätten «weder Geld zum Essen noch für den Bus» gehabt.

Wie die Not zunimmt, steigt auch die Kriminalität. Und mit der Covid-Not versucht T. seine Tat zu erklären. Die Pandemie soll sein Verbrechen entschuldigen. Bei der Pressekonferenz wurde T. gefragt, warum er die Frau attackiert habe: «Wegen der Covid-Pandemie bin ich arbeitslos geworden», so T. «Normalerweise werde ich zum Rasenmähen angestellt. Ich verdiene sehr wenig, etwa 1000 Baht pro Woche», rund 27.30 Franken. «Ich habe das ganze Geld meiner Freundin und meiner Familie gegeben, damit sie es für den Lebensunterhalt und die Erziehung meines Kindes ausgeben können.»

Todesstrafe droht

Thailand ist immer sehr um seinen Ruf bedacht. Die Bluttat kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem dem Land wieder Anti-Regierungs-Proteste und eine schlimme Covid-Welle zusetzen.

T. ist kein unbeschriebenes Blatt. Letzten Oktober wurde er wegen des Besitzes von Crystal Meth zu 15'000 Baht (410 Franken) und zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Doch das sich T. als fürsorgender, armer Familienvater gibt, der aus Not gehandelt habe, dahinter könnte durchaus der Versuch stecken, dass Thailands Image weniger Schaden nehmen soll.

Jetzt wird T. wegen Raubes und Mordes angeklagt. Eine Autopsie des Opfers soll den Vorwurf der Vergewaltigung klären, doch der Vorwurf der Vergewaltigung ging bei der Pressekonferenz irgendwie unter. Die Polizei spricht von genügend sichergestellten Beweisen für eine Verurteilung. Ist der Angeklagte geständig, droht ihm lebenslange Haft. Bestreitet er die Anklagepunkte, scheint ein Todesurteil sicher.

* Name der Redaktion bekannt

** Name geändert

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