Syrer Ahmed Al Brad (33) wurde von Assads Truppen vertrieben – nun kehrt er in seine Heimatstadt zurück
«Mein Haus ist zerstört – aber ich bin nicht gebrochen»

Der Syrer Ahmed Al Brad (33) arbeitet als Freiwilliger für die Schweizer Hilfsorganisation For Children Smile in Idlib. Am Sonntag haben die Rebellen seine Heimatstadt Homs erobert. Nun kehrt er zurück – und erzählt im Blick von seiner Reise.
Publiziert: 11.12.2024 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 12:56 Uhr
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Der Syrer Ahmed Al Brad (33) berichtet aus seinem Leben in Syrien.
Foto: zVg

Als ich erfuhr, dass die Truppen von Bashar al-Assad abgezogen sind, setzte ich mich mit meiner Frau (27) und Tochter (7) ins Auto. Wir fuhren nach Homs, in die Stadt meiner Kindheit, Jugend. Die Stadt, die meine Tochter nur von Fotos kennt, weil ich 2012 geflohen bin, vor den Angriffen der syrischen Armee.

Wir hatten Angst, dass Assads Truppen zurückkehren. Also wollte ich diese Gelegenheit nutzen, die Stadt ein letztes Mal zu sehen.

Es war kurz vor Sonnenaufgang am Sonntagmorgen, 8. Dezember. Die Opposition, angeführt von der Haiat Tahrir al-Scham (HTS), hatte die drittgrösste syrische Stadt Homs gerade erst erobert. Doch mit uns kehrten bereits Tausende Vertriebene zurück. Jubel durchströmte die Strassen der zerstörten Quartiere. In meine Freude mischte sich Trauer, während ich an den Geisterhäusern vorbeiging.

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Assad-Anhänger in Angst

Wir kamen in ein Quartier, wo die Anhänger von Präsident Assad leben. Sie gehören allen Konfessionen an. Nun hatte Angst sie erfüllt. Die Opposition versicherte, dass ihnen niemand etwas antun würde. Also verliessen auch sie ihre Häuser, um draussen mit uns zu feiern.

Ich erinnerte mich an die letzten Tage, Wochen. Wir lebten in Idlib, im Nordwesten des Landes. Rund 5 Millionen waren wie ich innerhalb Syriens geflüchtet, weitere 6 Millionen ins Ausland. Nach Hause zurückzukehren, schien uns wie ein unerreichbarer Traum.

Plünderungen und Zerstörung

Als Aleppo vor wenigen Tagen erobert wurde, kehrte die Hoffnung von Millionen von Syrern zurück. Die Flüchtlingszentren verwandelten sich in Nachrichtenzentralen. Wir verfolgten jede Meldung, jedes Ereignis, jede Verschiebung auf der Landkarte.

Was mich überraschte: Sobald ein Dorf von der Opposition befreit wurde, reisten die von dort Vertriebenen zurück. Obwohl dort nichts mehr auf sie wartet. Unsere Städte sind zu 60 Prozent zerstört. Was nicht zerbombt ist, haben Assads Truppen geplündert.

Nun stehe ich vor dem Haus in Homs, wo ich einst lebte. Es ist kaputt, unbewohnbar. Und doch fühle ich mich nicht gebrochen. Wir werden es wieder aufbauen, wir werden wieder in meiner Heimat leben.

Hoffnung auf ein freies Syrien

Die Opposition war in Idlib schon seit Jahren an der Macht. Ich habe dort erlebt, wie die Rebellen Vertrauen zur Bevölkerung aufbauen konnten. Aus meiner Sicht wollen sie in Syrien einen freien Staat aufbauen. Keinen religiösen, rassistischen oder sektiererischen Apparat errichten. Jetzt müssen sie der internationalen Gemeinschaft beweisen, dass sie es ernst meinen damit.

Dass einige Länder wie die USA oder die Mitglieder der Europäischen Union Mitglieder der Opposition als Terrororganisationen einstufen, wie die HTS, macht mir Angst. Ich befürchte, so könnte ein neuer Bürgerkrieg aufflammen.

Bashar Al-Assad hat alle Ressourcen des Staates ins Militär investiert. Jetzt, wo der Krieg vorbei ist, können wir das Geld nutzen, um Institutionen und Dienstleistungen aufzubauen. Ich persönlich habe zum ersten Mal wieder Hoffnung: Auf einen zivilen Staat, der die Rechte des syrischen Volkes garantiert, unabhängig von Zugehörigkeiten und Konfessionen.

Ahmed Al Brad (33) wird Blick-Reporterin Helena Graf (26) in den kommenden Tagen in Syrien begleiten. Ihre Artikel von vor Ort gibt es ab Freitag bei Blick zu lesen.

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