Die Atacama-Wüste gilt mit weniger als einem Liter Niederschlag pro Quadratmeter pro Jahr als eine der trockensten Regionen weltweit. Viele Städte nutzen Grundwasser, das aus Regenfällen stammt, die zuletzt vor 10'000 bis 17'000 Jahren in grösserem Ausmass niedergingen.
Eine Forschungsgruppe hat nun untersucht, ob die Nebelernte – ein Verfahren zur Sammlung und Speicherung von Nebelwasser – eine einfache und kostengünstige Lösung zur Wasserversorgung in der Wüste sein könnte. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt «Frontiers in Environmental Science» veröffentlicht.
Für das Sammeln von Nebelwasser werden spezielle Kollektoren benötigt: Diese bestehen typischerweise aus einem Netz, das zwischen zwei Pfosten gespannt ist und Feuchtigkeit auffängt. Die Tröpfchen sammeln sich auf der Oberfläche, fliessen in eine Rinne und gelangen von dort in Wasserbehälter – ganz ohne externe Energie.
«Wertvolle Möglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität»
Das Konzept wird bereits in ländlichen Regionen Südamerikas und Afrikas getestet. Die aktuelle Studie sollte nun das Potenzial der Methode für eine urbane Umgebung testen.
Das Forschungsteam stellte mehrere Nebelkollektoren in und um Alto Hospicio auf, einer schnell wachsenden Stadt im Norden der Atacama-Wüste. Hier leben rund 10'000 Menschen in einfachen Unterkünften, von denen nur 1,6 Prozent ans Wassernetz angeschlossen sind. Die meisten Bewohner sind auf Wasserlieferungen per Lkw angewiesen. «Das Sammeln von Wasser aus unkonventionellen Quellen wie Nebel bietet eine wertvolle Möglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität», wird Erstautorin Virginia Carter Gamberini von der chilenischen Universidad Mayor in einer Mitteilung zitiert.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten fest, dass in einem Gebiet von 100 Quadratkilometern rund um Alto Hospicio täglich zwischen 0,2 und 5 Liter Nebelwasser pro Quadratmeter gesammelt werden könnten. Dies sei allerdings beschränkt auf höher gelegene Bereiche ausserhalb der Stadtgrenzen. Im August und September 2024 wurde sogar ein Sammelpotenzial von bis zu 10 Litern pro Quadratmeter und Tag festgestellt.
Nebeldichte, Windmuster und Landformen ausschlaggebend
Das Forschungsteam kalkuliert, dass basierend auf einer durchschnittlichen Wassersammelrate von 2,5 Litern pro Quadratmeter und Tag eine Netz-Fläche von 17'000 Quadratmetern ausreichen würde, um wöchentlich 300'000 Liter Wasser für die städtischen Slums bereitzustellen. Für die Bewässerung der Grünflächen (100'000 Liter pro Jahr) würden bereits 110 Quadratmeter Netz-Fläche genügen.
«Indem wir das Potenzial in Alto Hospicio, einer der am stärksten stigmatisierten und dennoch schnell wachsenden Städte Chiles, aufzeigen, legt diese Studie den Grundstein für eine breitere Anwendung in anderen wasserarmen städtischen Gebieten», sagt Studienautorin Nathalie Verbrugghe von der Freien Universität Brüssel. Die Methode allein reiche aber nicht aus, sondern müsse in eine umfassendere Wasserstrategie eingebunden werden.
Dabei biete der Ansatz auch Chancen für andere trockene Regionen auf der Erde – wenn die geografischen und atmosphärischen Bedingungen stimmen. «Zu den wichtigsten Voraussetzungen gehören Nebeldichte, geeignete Windmuster und gut ausgerichtete erhöhte Landformen», so Verbrugghe. Da Nebel oft saisonal auftrete, müsse diese Variabilität ebenfalls berücksichtigt werden.
Das gesammelte Wasser könnte sowohl zum Trinken als auch zur Bewässerung von Grünflächen sowie zur lokalen Nahrungsmittelproduktion verwendet werden. Allerdings seien grosse Speichersysteme und geeignete Rohrleitungen erforderlich.