Die Russen sind in der Bedrängnis. Die Offensive der Ukraine geht vorwärts. Putins Armee hat bereits eroberte Gebiete wieder verloren.
Binnen weniger Tage konnte die Ukraine nach eigenen Angaben mehr als 400 Quadratkilometer Gebiet in der Region Cherson zurückerobern. Seit Anfang Oktober hätten die Truppen dieses Gebiet im Süden des Landes «befreit», sagte die Sprecherin des ukrainischen Militärkommandos Süd, Natalia Gumentschjuk, vor zwei Wochen.
Es hagelt seit mehreren Tagen Angriffe aus der Luft. Zuletzt in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dabei wurden iranische Kamikaze-Drohnen eingesetzt. Dahinter steckt offenbar eine «strategische Bombardierung», erklärte Verteidigungs- und Russlandexperte Gustav Gressel (43) vom European Council on Foreign Relations ECFR am Mittwoch in einem ECFR-Podcast.
Zivilbevölkerung in der Ukraine mürbe machen
Der russische Staatschef Wladimir Putin (70) hatte gesagt, die Angriffe seien die Antwort auf die Explosion an der Krim-Brücke, für die er den ukrainischen Geheimdienst verantwortlich machte.
Die russische Armee hatte bereits am Montag zahlreiche Raketenangriffe auf ukrainische Städte verübt. In der Hauptstadt Kiew und im westukrainischen Lwiw schlugen dabei zum ersten Mal seit Monaten wieder Raketen ein. Die Angriffe lösten international Empörung aus. Nach ukrainischen Angaben wurden mindestens 19 Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt. Am Dienstag gingen die Angriffe weiter.
Doch es geht um mehr als nur Vergeltung. Mit den Luft-Attacken soll auch die Zivilbevölkerung in der Ukraine mürbe gemacht werden. Denn: Besonders die Infrastruktur zur Energieversorgung wurde ins Visier genommen. Die Folge: zahlreiche Stromausfälle. Zeitweise wurde die Stromversorgung in der Ukraine rationiert.
Abwehrsysteme für die Ukraine versprochen
Nach den massiven russischen Angriffen der vergangenen Tage hat der ukrainische Versorger Ukrenergo am Donnerstag mitgeteilt, die Energieversorgung sei in «allen ukrainischen Regionen» wieder stabil. Es sei nicht weiter nötig, die Stromversorgung zu rationieren, fügte das Unternehmen hinzu.
Angesichts der Serie russischer Luftangriffe wollen die Verbündeten der Ukraine so schnell wie möglich weitere Abwehrsysteme zur Verfügung stellen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (69) sagte am Mittwoch nach einem Treffen der 30 Nato-Länder mit rund 20 weiteren Partnern der Ukraine-Kontaktgruppe, die Staaten würden «alles in ihrer Macht Stehende tun».
Die USA wollen acht moderne Luftverteidigungssysteme vom Typ Nasams an die Ukraine liefern. Zwei erste sollen in den kommenden Wochen in dem Land eintreffen. Sechs weitere müssen jedoch ebenfalls erst produziert werden. Nach US-Angaben erwägt Washington deshalb, in der Zwischenzeit Hawk-Systeme aus der Zeit des Kalten Krieges in die Ukraine zu schicken. (jmh/AFP)