Der Raketenhagel in der Ukraine hört nicht auf – doch auch auf russischem Staatsgebiet kommt es immer wieder zu Angriffen. Am Donnerstag kursierten Bilder und Videos von Raketenangriffen auf ein Wohnhaus in der russischen Stadt Belgorod, nahe der ukrainischen Grenze.
Wer die Angriffe auf die Stadt ausgeübt hat, konnte noch nicht unabhängig geklärt werden, doch der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, macht auf Telegram die Ukraine für die Raketeneinschläge verantwortlich. Die Region Belgorod wurde zwar seit dem Frühjahr regelmässig von der Ukraine ins Visier genommen, die gleichnamige Regionalhauptstadt aber selten. Anfang dieser Woche erklärte Gladkow, dass 2000 Menschen wegen ukrainischen Beschusses auf ein Elektrizitätswerk zeitweise keinen Strom hatten.
Die Ukraine wies den Vorwurf umgehend zurück. Präsidentenberater Mychailo Podolyak erklärte, vielmehr habe die russische Armee versucht, die in Grenznähe gelegene, ukrainische Stadt Charkiw zu bombardieren, «aber etwas lief schief». Wie das Institute for the Study of War (ISW) berichtete, könnte Russland diese Anschuldigungen allerdings aus einem bestimmten Grund gemacht haben: Um die Ukraine fälschlicherweise als Terror-Staat darzustellen.
Russland möchte massive Angriffe rechtfertigen
Es ist nicht die erste Aktion, welche die Russen den Ukrainern in die Schuhe schieben wollen: Mehrere russische Quellen berichteten bereits am Mittwoch, dass der russische Föderale Sicherheitsdienst (FSB) ukrainische Staatsbürger festnahm, weil sie angeblich «terroristische Anschläge» in den Oblasten Swerdlowsk, Moskau und Brjansk planten.
«Es ist notwendig, die Ukraine als terroristischen Staat anzuerkennen», schreiben diverse regierungsnahe russische Telegram-Kanäle. «Andernfalls wird Russland unweigerlich von einer Welle von Terroranschlägen überrollt werden. Die Bastarde werden vor nichts zurückschrecken.»
Das ISW analysiert: «Behauptungen über Vorbereitungen für angebliche subversive ukrainische Aktivitäten in Russland stehen im Einklang mit einem umfassenderen Versuch, Informationsbedingungen zu schaffen, um auf ukrainische Versuche zu reagieren, Russland formell als terroristischen Staat zu bezeichnen.» Der russische Informationsraum könnte auch Bedingungen schaffen, um weitere massive Angriffe auf ukrainische rückwärtige Gebiete zu rechtfertigen, so das Institut.
Kiew griff im September russische Grenzgebiete an
Bereits im September gab es Berichte, dass ukrainische Truppen russische Grenzgebiete angegriffen haben. Wie die «Washington Post» damals berichtete, wurden «militärische Ziele in Russland von Artillerieangriffen» getroffen. «Russische Beamte in Städten entlang der Grenze ordnen hastige Evakuierungen an.»
Laut «General SVR»-Informationen waren von den Evakuierungen auch einige Gebiete der Regionen Brjansk, Kursk, Woronesch und Rostow betroffen. Im Zusammenhang mit einer befürchteten Mobilisierung im Gebiet wurde auch Sorge vor «einem Bürgerkrieg und dem Zusammenbruch des Landes» geäussert. Ob die Ukraine auch hinter den erneuten Angriffen auf Belgorod steckt, bleibt aber weiterhin unklar. (chs)