Spezielles Konzept in Hamburg
Bewohner in Alkoholiker-Pflegeheim dürfen sich zu Tode trinken

Ein Hamburger Pflegeheim verbietet keinen Alkohol für seine Bewohner. Im Gegenteil: Sie bekommen so viel sie wollen. Dahinter steckt ein spezielles Konzept.
Publiziert: 31.08.2024 um 15:01 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2024 um 14:49 Uhr
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Im Pflegeheim Öjendorf in Hamburg ist Alkohol explizit erlaubt. Das Heim organisiert sogar den Nachschub. Die 137 Heimeinwohner sind Alkoholiker. (Symbolbild)
Foto: Shutterstock

Auf einen Blick

  • Pflegeheim erlaubt Alkohol für Alkoholabhängige
  • Bewohner dürfen so viel trinken, wie sie wollen
  • 1,6 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig
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Christina BenzRedaktorin News

Jeden Tag um 18 Uhr verteilen die Mitarbeiter in einem Hamburger Pflegeheim eine ungewöhnliche Medizin. Ein Bewohner bekommt zwei Flaschen Bier, eine Bewohnerin einen halben Liter Weisswein und eine halbe Flasche Korn für einen weiteren Senioren. Sie alle sind schwer alkoholabhängig. Statt sie zu therapieren, dürfen die Rentner so viel trinken, wie sie wollen und werden dafür nicht verurteilt. Denn: Im Pflegeheim Öjendorf am östlichen Hamburger Stadtrand ist Alkohol explizit erlaubt, wie der «Spiegel» berichtet.

Das Heim organisiert sogar den Nachschub. Die meisten der 137 Heimeinwohner (Frauen und Männer) kämpfen seit Jahren vergeblich gegen die Alkoholsucht. Dutzende Entziehungskuren haben sie schon hinter sich. Ohne Erfolg. Insgesamt 1,6 Millionen Deutsche gelten als alkoholabhängig. Darunter viele Senioren. Die Zimmer im speziellen Hamburger Heim sind begehrt. Sie sind für manche die letzte Rettung. «Draussen wäre ich längst tot», so ein Bewohner (64) zum «Spiegel».

«Er trank sich zu Tode»

Nicht alle Bewohner sind im Rentenalter. Der jüngste Suchtkranke, der bis jetzt betreut wurde, war erst 28 Jahre alt. «Er trank sich zu Tode», so eine Pflegerin. Er ist kein Einzelfall: Maximal sechs bis sieben Jahre leben die Bewohner im Heim, länger überleben sie das exzessive Trinken nicht. Sie trinken sich kontrolliert und betreut zu Tode, «aber unter menschenwürdigen Bedingungen», erklärt Michael Günther, einer der Direktoren des Trägervereins.

«Der Otto Normalverbraucher hat für unser Experiment oft wenig Verständnis, das spür ich selbst in meinem Bekanntenkreis», so Günther weiter. Suchtexperten jedoch verfolgen das Projekt und es ist «durchaus anerkannt».

«Die Leute hier müssen trinken, sie haben keine Wahl», sagt Betreuer Oliver Rausch. Jeden Morgen machen sich die Bewohner auf den Weg zum Supermarkt. Wenig später kehren sie mit ihrer Ausbeute zurück. Manche verirren sich betrunken auf dem Rückweg und bleiben betrunken am Strassenrand liegen. Schon öfters haben sich Anwohner darüber bei der Heimleitung beschwert. 

Friedliches Zusammenleben oder doch Anarchie?

Alkoholiker sind nicht immer die einfachsten Zeitgenossen. Daher gibt es ein paar Regeln: Wer gewalttätig wird, zu häufig zuschlägt oder gar andere verletzt, fliegt raus. Illegale Drogen wie Kokain oder Heroin sind untersagt. «Alkohol ist herausfordernd genug, weitere Suchtstoffe könnten wir nicht verkraften», sagt Günther.

Jeder bekommt 150 Euro Taschengeld im Monat. Viele lassen es sich nicht auf einmal auszahlen, zu riskant. Am Monatsende wird es oft knapp, der Suchtdruck steigt. Das Heim bietet eine Lösung: Dreimal täglich gibt es Bier, Wein oder Schnaps anstatt Direktauszahlung. Einige Bewohner arbeiten in der Werkstatt, um etwas dazuzuverdienen. Doch die Motivation sinkt, viele haben keine Kraft mehr. Beim Grillfest kommen alle zusammen. Ab 17 Uhr gibt es Freibier, solange der Vorrat reicht.


 

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