Alkohol ist auch dann nicht gesundheitsfördernd, wenn er in Massen genossen wird. Zu diesem Ergebnis ist eine Analyse vieler verschiedener Studien zum Zusammenhang von Alkoholkonsum und Gesundheit gekommen.
Frühere Untersuchungen hatten wiederholt darauf hingedeutet, dass Menschen, die wenig Alkohol trinken, im Vergleich zu Abstinenzlern weniger anfällig für manche Krankheiten sind. Doch solche Ergebnisse seien nur dann zustande gekommen, wenn die Gruppe der Abstinenzlerinnen und Abstinenzler nicht gut abgegrenzt war oder aber wenn die Probanden relativ alt waren, schreibt eine Gruppe um Tim Stockwell von der kanadischen Universität Victoria im «Journal of Studies on Alcohol and Drugs».
«Annahmen über gesundheitliche Vorteile von Alkohol beeinflussen die Schätzungen der globalen Krankheitslast und die Richtlinien zum Trinken erheblich», schreiben die Studienautoren. Sie prüften nun, warum einige Studien dem mässigen Konsum von Alkohol eine gesundheitsfördernde Wirkung zuschreiben, andere hingegen nicht. Als mässigen Konsum nahmen sie eine Menge bis 25 Gramm Alkohol pro Tag an, das entspricht 0,25 Litern Wein mit zwölf Prozent Alkohol oder 0,6 Litern Bier mit fünf Prozent Alkohol. Moderater Alkoholgenuss soll Studien zufolge unter anderem vor bestimmten Formen von Herzinfarkten und Schlaganfällen sowie Diabetes Typ 2 schützen.
Sterberisiko etwa gleichauf
Stockwell und Kollegen werteten 107 Langzeituntersuchungen zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Mortalität aus. Daran hatten gut 4,8 Millionen Menschen teilgenommen, im Verlauf der Untersuchungen gab es mehr als 420'000 Todesfälle. Als wichtiges Kriterium für die Qualität einer Studie nahm das Team um Stockwell die Messung des Alkoholkonsums: Wurde er über mehr als 30 Tage gemessen, waren die Messwerte aussagekräftiger als wenn dies in einem kleineren Zeitraum geschah. Es zeigte sich: Bei den qualitativ höherwertigen Studien lag das Sterberisiko bei moderatem Konsum gleichauf mit dem von Abstinenz.
Zudem betrachteten die Forscher die Altersstruktur der Studienteilnehmenden. Sie fanden auffällige Unterschiede je nachdem, wie alt die Probanden einer Kohorte zu Beginn der Langzeituntersuchung waren: Lag ein bestimmter Mittelwert, der Medianwert, zwischen 56 und 78 Jahren, dann war das Sterberisiko für mässige Alkoholtrinkende deutlich geringer als für Abstinenzlerinnen und Abstinenzler – auf alle Studien gerechnet um 14 Prozent. Lag das Medianalter der Kohorte jedoch unter 55 Jahren und wurde die Untersuchung der einzelnen Teilnehmenden bis zum Alter von mindestens 56 Jahren fortgeführt, lagen die Sterberisiken nahezu gleichauf.
Allerdings galt das nur, wenn die jeweiligen Teams bei der Definition von Abstinenz rigoros vorgegangen waren. Dazu mussten sie Menschen, die gelegentlich Alkohol tranken, und jene, die früher Alkohol getrunken hatten, von der Gruppe der Abstinenzler ausgeschlossen haben. Das war in den meisten Studien nicht der Fall: Teilweise wurden moderate Alkoholtrinker also verglichen mit früheren Konsumenten, die aus gesundheitlichen Gründen mit dem Trinken aufgehört hatten. «Das lässt Menschen, die weiterhin trinken, im Vergleich viel gesünder erscheinen», wird Stockwell in einer Mitteilung des Fachjournals zitiert.
Der Grund dafür, dass Studien Gesundheitsvorteile für mässigen Alkoholkonsum ermittelt hätten, liege in Verzerrungen wegen Mängeln im Studiendesign. In qualitativ hochwertigen Studien ergebe sich kein Gesundheitsvorteil für Menschen mit moderatem Konsum. Den Umstand, dass keine grosse Gesundheitsorganisation jemals eine risikofreie Menge an Alkoholkonsum festgelegt habe, kommentiert Stockwell mit den Worten: «Es gibt einfach keine absolut ‹sichere› Menge an Alkohol.»