Hier werden die Särge zurück nach Israel geflogen
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Nach Gondel-Drama:Hier werden die Särge zurück nach Israel geflogen

Sorgerechtsstreit um einzigen Überlebenden des Gondel-Dramas von Stresa spitzt sich zu
Eitan (6) vom Grossvater nach Israel entführt

Das Drama um den kleinen Eitan nimmt kein Ende. Der Bub verlor Mutter, Vater, Brüderchen und Ur-Grosseltern beim Gondelabsturz am Mottarone. Wochenlang lag er schwer verletzt im Spital. Nun wird er auch noch zum Spielball in einem erbitterten Familienzoff.
Publiziert: 12.09.2021 um 14:08 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2021 um 08:44 Uhr
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Sie waren eine glückliche Familie – bis sie am Pfingstsonntag in die Gondel zum Mottarone stiegen. Der sechsjährige Eitan (im gestreiften Shirt) verlor beim Seilbahnunglück seine Eltern und seinen kleinen Bruder (auf dem Arm der Mutter).
Foto: Facebook
Myrte Müller

Die kleine Seele kommt nicht zur Ruhe. Am 23. Juni 2021 steigt der kleine israelische Bub in die Gondel Nr. 3. Seine Eltern, sein Brüderchen und die Ur-Grosseltern, die aus Israel angereist waren, wollen vom Berg Mottarone das Panorama über dem Lago Maggiore geniessen. Die Kabine aber stürzt kurz vor Ankunft bei der Bergstation ab. 14 Fahrgäste sterben. Eitan überlebt. Als einziger.

Wochenlang wird der kleine Junge im Spital in Turin behandelt. Immer am Krankenbett: Seine Tante Aya B.* (41). Sie ist die Schwester von Eitans Vater, Ärztin von Beruf und lebt im norditalienischem Pavia, wo auch Eitan und seine Eltern Zuhause waren. Aya B.s Töchter sind in etwa so alt wie Eitan, haben immer mit ihm gespielt. Eitan soll in dieser Familie bleiben, also in Italien. Sie hält die Hand des Kindes, als dieses aus der Narkose erwacht und fragt: «Warum sind wir hier? Wo sind Mami und Papi?». Schliesslich ist es auch die Tante, die mit Hilfe von Psychologen dem Waisenkind schonend beibringt, dass es beide Elternteile verloren hat.

«Ich will bei Mama und Papa bleiben»

Aya B. beantragt das Sorgerecht für Eitan. Doch auch die Familie mütterlicherseits, die in Israel lebt, will den kleinen Buben grossziehen. Sie will Eitan zu sich holen. Vor italienischen Gerichten entbrennt ein erbitterter Familienstreit. Die Behörden wollen Eitan entscheiden lassen. Als Psychologen den Kleinen fragen, bei wem er leben möchtet, antwortet dieser: «Bei Mama und Papa».

Der zuständige Richter in Turin spricht Aya B. schliesslich die Vormundschaft zu. Das Gericht in Pavia bestätigt die Entscheidung. Eitan soll bei der Tante bleiben. Die Geschwister von Eitans verstorbener Mutter laufen Sturm. Sie erklären in einer Pressekonferenz: «Eitan wird in Italien wie ein Gefangener gehalten. Seine Eltern hätten gewollt, dass ihr Bub in Israel aufwächst. Wir wollen ihn adoptieren». Doch ihr Antrag wird abgelehnt. Besuchsrecht ja, Adoption nein. Eitan bleibt in Italien!

Jeder Kontakt nach Israel ist nun abgebrochen

Am Samstagmittag reist der Vater von Eitans verstorbener Mutter an. Der Besuch ist abgesprochen. Er will mit Eitan in den Park, sagt er. Tatsächlich aber schnappt er sich den Jungen und fliegt mit ihm heimlich nach Israel. Möglich ist dies, weil die Familie mütterlicherseits einen israelischen Pass vom Kind dabei hatte.

Der Grossvater sollte seinen Enkel um 18.30 wieder bei Eitans Tante abliefern. Doch Aya B. wartet vergeblich. Verzweifelt versucht die Ärztin, den Grossvater anzurufen. Dessen Smartphones ist jedoch ausgestellt. Niemand meldet sich bei Aya B. Eitan ist verschwunden, der Kontakt zu der Familie mütterlicherseits abgebrochen. Es droht eine Eiszeit zwischen den Verwandten.

Gegenüber des israelischen Senders «N12» berichtet ein Freund der Familie, dass Eitan in Israel gelandet sei. Auch die israelische Botschaft in Rom bestätigt die Einreise des Buben. Unterdessen schlagen die italienischen Anwälte von Aya B. Alarm. Das Kind sei gegen den Willen des Vormundes und gegen die Beschlüsse der italienischen Behörden nach Israel gebracht worden. «Es handelt sich um eine klare Kindsentführung», sagt Anwalt Armando Simbari gegenüber «La Stampa». Jetzt will das israelische Aussenministerium den Fall prüfen. Eines scheint schon heute sicher: Mit dem Familienzoff hat der kleine Eitan nun weitere Angehörige verloren.

*Name der Redaktion bekannt

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