Somalias Premierminister Roble schlägt Alarm
«Die Welt vergisst uns wegen des Ukraine-Kriegs!»

Seit Jahren wenig Regen, nun steigen auch noch die Preise für Nahrung und Benzin: Der somalische Premierminister Mohamed Hussein Roble warnt im Blick vor einer Katastrophe – und bittet die Welt um Hilfe, nicht nur auf die Ukraine zu schauen.
Publiziert: 29.04.2022 um 19:01 Uhr
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Der somalische Premierminister Mohamed Hussein Roble weilte Anfang Woche in Genf.
Foto: lundi13
Guido Felder

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine treffen die Allerärmsten besonders hart. Somalia, das drittärmste Land der Welt, steht unmittelbar vor einer Katastrophe, weil Lebensmittellieferungen ausgerechnet in einer langen Phase der Dürre ausfallen.

Somalias Premierminister Mohamed Hussein Roble (58) schlägt bei einem Treffen mit Blick Alarm: «Bei uns lässt der Krieg in der Ukraine die Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff massiv ansteigen. Von April bis Juni erwarten wir eine Hungersnot.»

Was ihm auch Kummer macht: «Länder und Organisationen wie die EU, die sich bisher um Somalia gekümmert haben, wenden sich nun ab und konzentrieren sich auf die Hilfe in der Ukraine. Die Welt vergisst uns!»

Halbe Million haben ihre Häuser verlassen, um nach Essen zu suchen

Blick traf Roble am Dienstag nach einem Auftritt vor Vertreterinnen und Vertretern der Vereinten Nationen in Genf. Da informierte er, dass in Somalia rund 7 der 16 Millionen Menschen von Hunger betroffen seien. 1,4 Millionen Kinder seien unterernährt. Eine halbe Million hätten für die Suche nach Nahrung ihre Häuser verlassen.

Eine Katastrophe bahne sich auch bei den Tieren an. Über neun Millionen Nutztiere litten an Hunger, fast eine Million seien verendet.

Treibt die Dürre Somalier in die Schweiz?

Das Land am Horn von Afrika erlebt seit Ende 2020 zum dritten Mal in Folge eine Saison mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen. In gewissen Gebieten ist seither sogar kein Tropfen Regen gefallen.

Im Oktober setzte Premierminister Roble alle möglichen Hebel in Gang, um den betroffenen Regionen zu helfen. Staatspräsident Mohamed Abdullahi Mohamed (60) – Kurzname Farmajo – verzichtete mit andern Politikern im November und Dezember 2021 auf seinen Lohn. Es kamen 190’000 US-Dollar zusammen, die an die regionalen Verwaltungen überwiesen wurden.

Roble rechnet damit, dass wegen der Dürre viele Somalier das Land verlassen werden – auch Richtung Schweiz. 2018 beschloss die Schweiz, abgelehnte somalische Asylbewerber zurückzuführen. Ist das angesichts der drohenden Hungersnot falsch? Roble äussert sich zu dieser Frage gegenüber Blick nicht konkret. Er sagt nur: «Wir halten uns an die internationalen Regeln. Wenn es gute Prozesse sind, unterstützen wir diese.»

Streit mit dem Staatspräsidenten

Somalia ist nicht nur wegen der Dürre ein Krisenherd. Seit dem Sturz des Regimes von Präsident Siad Barre (1919-1995) im Jahre 1991 herrschen in der ehemaligen italienischen und britischen Kolonie Chaos und Bürgerkrieg. Es gibt Kämpfe zwischen den Clans um die Macht und um Wasser. Seit einigen Jahren breitet sich auch die islamistische Gruppe Al-Shabaab aus, die einen Gottesstaat errichten will und tödliche Anschläge verübt.

Ende 2021 hat Präsident Farmajo den seit 2020 amtierenden Premier Roble eigentlich entlassen, was eine Regierungskrise und blutige Strassenkämpfe auslöste. Roble amtet aber weiter als Regierungschef, weil er seine Entlassung als verfassungswidrig betrachtet.

Hintergrund des Streits: Roble wirft Farmajo vor, Wahlen verzögert zu haben, um seine Macht weiter auszubauen. Farmajo wirft Roble Korruption und Amtsmissbrauch vor.

Somalia bekommt neue Regierung

2000 bekam Somalia eine Übergangsregierung, seit 2012 gibt es eine offizielle Regierung. Sie wird von der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (Amisom) militärisch unterstützt. Im März 2022 hat Somalia ein neues Parlament gewählt. Bis spätestens 15. Mai muss es einen neuen Präsidenten bestimmen. Wer alles antritt, ist noch ist offen. Bis Ende Mai sollte eine neue Regierung gebildet sein.

Somalia im Vergleich zur Schweiz

• Fläche: 637'655 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 15,9 Millionen (Schweiz: 8,6 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 309 Dollar (Schweiz: 86'601 Dollar)
• Sprachen: Somali, Arabisch (Amtssprachen)
• Hauptstadt: Mogadischu
• Unabhängigkeit: 1960 von Italien und Grossbritannien
• Währung: Somalia-Schilling

* Bruttoinlandprodukt nominal

• Fläche: 637'655 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 15,9 Millionen (Schweiz: 8,6 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 309 Dollar (Schweiz: 86'601 Dollar)
• Sprachen: Somali, Arabisch (Amtssprachen)
• Hauptstadt: Mogadischu
• Unabhängigkeit: 1960 von Italien und Grossbritannien
• Währung: Somalia-Schilling

* Bruttoinlandprodukt nominal

Wird Roble als Präsident kandidieren? «Ich habe keine entsprechenden Pläne», sagt er zu Blick. Für ihn sei das Wichtigste, dass endlich Regen falle. Und er ist optimistisch: «Inshallah (übersetzt: so Gott will)», sagt er, «wir werden überleben.»


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