So reagieren in der Schweiz lebende Israelis und Palästinenser
Schock, Wut, Angst und Stolz

Schockiert sieht die Welt den Gewaltausbruch in Israel. Hunderte Tote haben beide Seiten bereits zu beklagen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Israelis und Palästinenser in der Schweiz sehen den Konflikt sehr unterschiedlich.
Publiziert: 10.10.2023 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2023 um 10:13 Uhr
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«Es wird Frieden geben», ist sich der israelische Unternehmer Ayal Haneman (59) beim Gespräch in Zürich sicher.
Foto: Sandro Zulian

Praktisch im Minutentakt steigt die Zahl der Toten in Israel. In einer beispiellosen Attacke drangen Hamas-Terroristen am Samstag in das Land ein. Israel hat nach dem verheerenden Hamas-Grossangriff mit mehr als 700 Toten im Grenzgebiet eine komplette Abriegelung des Gazastreifens angeordnet.

«Es wird irgendwann Frieden geben»

Angst und Wut sind in Gesprächen mit Israelis in der Schweiz spürbar. Unternehmer Ayal Haneman (59) betreibt in Zürich ein israelisches Restaurant. Seine ersten Worte während des Interviews mit Blick überraschen: «Keine Frage. Es wird zwischen Palästinensern und Israelis irgendwann Frieden geben. Daran habe ich keine Zweifel.»

Für Haneman sind nämlich nicht die Palästinenser an sich das Problem, sondern die radikale Hamas, eine 1987 gegründete, islamistische Gruppierung. «Wir sind im Krieg und kämpfen gegen Terror. Nicht gegen ein Land.» Er fordert, dass der Westen schleunigst anerkennt, dass die Hamas eine Terrorgruppe ist und entsprechend handelt.

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Die Gegenoffensive Israels kommt

Haneman kann nicht fassen, dass die Hamas nicht einmal vor der Zivilbevölkerung zurückschreckt und Menschen entführt. In absehbarer Zukunft sieht der Unternehmer keine Entspannung der Situation – ganz im Gegenteil: «Die israelische Armee wird jetzt in den Gazastreifen reingehen. Die Gegenoffensive kommt.»

Davon geht auch Tomer I.* aus. Der 39-jährige Mann aus Israel arbeitet in einem Start-up-Unternehmen und lebt seit einem Jahr in der Schweiz. «Die Aggression geht nicht von Israel aus.» Wenn sich die Palästinenser von der Hamas lösen können, dann stünde ihnen eine gute Zukunft mit Frieden bevor. «Mein Herz ist auch bei den Palästinensern», sagt er. «Ein Ende der Gewalt ist möglich. Aber nur mithilfe der internationalen Gemeinschaft.» Schon seit Jahren habe die Hamas nicht nur Israel geschadet, sondern halte auch die Palästinenser in Geiselhaft, sagt er.

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Palästinenser will Angriffe nicht verurteilen

Sami Daher (64) ist Palästinenser und Gastronom aus Solothurn, geboren wurde er in Nazareth. Er ist der einzige Palästinenser, der mit Blick reden will. Was angesichts Hunderter getöteter Zivilisten in Israel schockieren mag: Er empfand am Samstagmorgen zuerst einmal Stolz, als er von den Angriffen hörte. «Ich spürte einen gewissen Stolz, dass wir Palästinenser militärisch zu so einem Schlag überhaupt fähig sind», sagt er im Gespräch mit Blick. Eine extreme Haltung, die wohl nicht jeder Palästinenser teilt. Gleichwohl kam es am Wochenende in europäischen Grossstädten zu Freuden-Demonstrationen der Palästinenser.

Gastronom Daher hat aber auch grosse Angst im Hinblick auf das, was nun folgen wird. «Was passiert nach diesem fürchterlichen Schlag?», fragt er. «Man muss den Rückschlag fürchten.» Oft würde Israel das Erlittene den Palästinensern zwanzigfach heimzahlen. «Die Gefahr eines Genozids ist jetzt riesengross», warnt Daher mit Blick auf den Gazastreifen.

Er räumt ein, dass die Hamas am Samstag Kriegsverbrechen beging, will sich von der Gewalt aber nicht distanzieren und betont: «Widerstand ist ein Menschenrecht.» Und wie dieser aussehe, das bestimmten jene Menschen, die den Widerstand leisten. Die Menschen im Gazastreifen lebten in einem Gefängnis, und die Welt habe ihr Leid vergessen. Palästinenser hätten keine faire Chance, sich zu wehren. Er kritisiert, dass die EU und die USA den Staat Israel wirtschaftlich und militärisch unterstützen.

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Das Vorbild heisst Schweiz

Der bereits über 100 Jahre schwelende Konflikt zwischen Juden und Palästinensern sei nicht einfach zu lösen, sagt der Israeli Ayal Haneman. Denn die beiden Völker seien zwar teils verfeindet, aber auch tief miteinander verbunden. «Unser Schicksal ist es, wie Zwillinge zusammenzuleben.»

Als grosses Vorbild für den erhofften Frieden dient Haneman die Schweiz: «Die Kantone haben sich immer wieder untereinander bekriegt. Bis sie begriffen, dass die internen Konflikte nur dem grossen Gegner Frankreich in die Karten spielten.»

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