«Slava Ukraini!»
Getöteter zeigt Putin, warum die Ukraine unbesiegbar ist

Alexander Matsievsky hat seinen Killern stoisch in die Augen geschaut, bevor sie ihn kaltblütig töteten. Der Soldat wird in der Ukraine als Held gefeiert. Und er dürfte Putin das Fürchten lehren. Eine Analyse.
Publiziert: 12.03.2023 um 16:28 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2023 um 08:26 Uhr
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Der ukrainische Soldat Alexander Matsievsky (†41) Sekunden vor seinem gewaltsamen Tod.
Foto: AFP
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Die Russen wollten Alexander Matsievsky (†42) töten. Stattdessen haben sie ihn unsterblich gemacht. Genau zwölf Sekunden brauchten sie dafür. So lange dauert das Video, das die Exekution des unbewaffneten ukrainischen Soldaten irgendwo in den Wäldern des Donbass zeigt. Matsievsky steht in einer kleinen Vertiefung. Vielleicht war das seine Front-Stellung, vielleicht war es das erdige Grab, das er für sich selbst schaufeln musste.

Unklar. Genauso unklar wie die Identität der Männer, die die Szene filmen. Einer von ihnen murmelt irgendwas. Matsievsky, Soldat des 163. Bataillons der 119. Brigade der ukrainischen Streitkräfte, bleibt einfach stehen, auf dem Kopf eine Militärmütze, im Mundwinkel eine Zigarette. Er schaut stoisch in die Kamera, nimmt einen letzten Zug, bläst aus und sagt mit ruhiger Stimme seine allerletzten Worte: «Slava Ukraini!» («Ruhm der Ukraine!»). Dann fallen Schüsse, treffen Matsievsky im Gesicht und im Oberkörper. Er fällt tot um. «Stirb, du Schlampe!», ruft einer seiner Mörder.

«Sie können uns nicht versklaven, deshalb wollen sie uns zerstören»

Das Standbild aus dem Video, das Matsievsky Sekunden vor seinem Tod mit Zigarette und Militärkappe da im Wald stehend zeigt, verbreitete sich blitzschnell rund um den Globus. Der einfache Mann, einst Elektriker in Kiew, bewahrt im vollen Bewusstsein seines nahen, gewaltsamen Todes seine Würde und verliert nicht seinen Mut: Er ist im Nu zum Symbol geworden für den heroischen Widerstand, den die Ukraine gegen die Invasoren aus dem Nachbarland leisten.

Alexander Matsievsky machte mit seiner Geste unmissverständlich klar, warum Wladimir Putin (70) die Ukraine niemals besiegen wird: Wer Hass und Tod sät, wird niemals aufrichtigen Respekt ernten. Von Tyrannei, und möge sie sich noch so kaltblütiger Methoden bedienen, lassen sich die Ukrainer nicht unterkriegen. Sie halten standhaft an ihrem Glauben an Freiheit und Selbstbestimmtheit fest – mindestens so fest wie die politische Schweiz an ihrem schier unerschütterlichen Glauben an die Neutralität.

«Das Video zeigt die Hilflosigkeit der Russen», erzählt der ukrainische Kriegsreporter Serhiy Okishev (37) gegenüber Blick. «Sie konnten Matsievsky nicht dazu zwingen, seine Uniform auszuziehen. Sie konnten ihn nicht einschüchtern.» Seit eh und je scheiterten die Russen mit ihrem Unterfangen in der Ukraine: «Sie können uns nicht versklaven, deshalb versuchen sie, uns zu vernichten.»

Diesem Vernichtungswillen stellen die Ukrainer nicht nur Panzer und Soldaten entgegen, sondern überall und immer wieder ihre stoische Ruhe. Wer durch das Land reist, erschrickt ob der scheinbar gleichgültigen Lockerheit, mit der die Menschen in der einstigen Sowjetrepublik den harschen Alltag in diesem Krieg meistern.

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«Wenn wir das hier überleben, wohin gehen wir dann feiern?»

Der Autor dieser Zeilen begegnete in den umkämpften Vorstädten von Slowjansk im Spätsommer etwa der Witwe Anna, die weiter ihren Gemüsegarten pflegen wollte, obwohl fast minütlich russische Geschosse über ihr Haus hinwegdonnerten. Oder dem Übersetzer Yevhen, der sich unter russischem Beschuss an der Donbass-Front lächelnd neben den Reporter setzte und fragte: «Wenn wir das hier überleben, wo gehen wir dann heute Abend feiern?» Oder den jungen Soldaten Dmytro Finashyn, der auf dem Schlachtfeld seinen linken Arm verloren hat und trotzdem seelenruhig sagt: «Sobald ich wieder schiessen kann, gehe ich zurück an die Front.»

Alexander Matsievsky hat der ukrainischen Entspanntheit im Angesicht all des Horrors ein nunmehr weltweit bekanntes Gesicht gegeben. Von den allerwenigsten der Hunderttausenden von Gräueltaten im Ukraine-Krieg existieren so schockierende Aufnahmen wie von seiner Hinrichtung. Gut möglich, dass er es ist, der am Ende dieses Krieges unter all den Toten heraussticht – unfreiwillig.

In die ukrainische Erinnerung hat sich sein Gesicht längst eingebrannt. Sollte Wladimir Putin das Bild jemals zu Gesicht bekommen und in Matsievskys ruhige Augen schauen, dann dürfte ihn das das Fürchten lehren.

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